Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Theresienstadt, auch eine seiner Töchter kam in einem Konzentrationslager ums Leben.
„Sei gescheit – kauf bei Veith!“, mit diesem Slogan wirbt ein hoher NSDAP -Funktionär für sein Friedrich Pasch abgepresstes Modenhaus in der Maria-Theresien-Straße, das man einst an jener Stelle betrat, wo sich heute eines der Geschäfte der Firma Ludwig Schirmer befindet. Pasch, seine Frau und die damals erst 15-jährige Tochter Dora werden in der Pogromnacht schwer misshandelt. Sie gelangen schließlich nach England.
In der Maria-Theresien-Straße 13 und 17–19 hat auch Julius Pasch seine zwei Schuhgeschäfte, sie werden „arisiert“, den Paschs gelingt die Flucht.
„Arisierung des Modenhauses Schulhof in der Museumstraße 12“, ist am 30. Juni 1938 in der Zeitung zu lesen. Der einstige Besitzer Josef Schulhof landet in Wien, wo er 1942 stirbt. Seine Frau verschickt man ins KZ Theresienstadt. Sohn Alois flieht nach Palästina, er ist einer der wenigen, die nach dem Krieg nach Innsbruck zurückkehren und das Geschäft weiterführen. Seine Schwester Grete wird mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Auschwitz umgebracht.
In der Museumstraße 33 hat der Getreide- und Holzhändler Ignaz Maier sein Büro, ihm glückt die Flucht nach Kuba, sein Betrieb wird gelöscht.
Moritz Hafler und seine Frau Helene besitzen in der Schöpfstraße 12 ein kleines Geschäft, das Helene nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1936 in Innsbruck weiterführt. Helene Hafler wird sechs Jahre später in Izbica, einem Durchgangslager für das Vernichtungslager Belzec in Polen, ermordet.
Zurück in die Altstadt. Das Haus in der Seilergasse 4 erzählt nicht nur von der Baumeisterfamilie Appeller oder vom Langzeitbürgermeister Augustin Tauscher, wie Maria Hoffman ihn nannte, es erzählt ferner von Samuel Heber und seinen Brüdern Jakob und Rafael.
Die im galizischen Lemberg geborenen Brüder werden 1938 nach Polen ausgewiesen, halten sich jedoch versteckt, bis die Gestapo sie aufspürt. Jakob stirbt 1942 im KZ Dachau, seine Frau Eva aller Wahrscheinlichkeit nach im KZ Theresienstadt, wo auch Samuel Heber 1943 ermordet wird. Einzig Rafael entkommt den Nazi-Mördern nach England.
„Und daß wir darangingen, mit durchaus legalen Mitteln unsere Geschäftswelt von diesem Parasitentum zu reinigen, ist nun wirklich unser gutes Recht der Selbsterhaltung gewesen“, so lautete doch der Satz in den Innsbrucker Nachrichten , oder?
L wie Leopoldstraße, wir müssen zurück im Alphabet! Denn in der Leopoldstraße 28 hat Alois Hermann ein Geschäft. Er gehört zu denen, die mit Rudolf Brüll mauerstehen müssen im September 38, auch seine Tochter Elisabeth, verheiratete Kirchlechner, verharrt drei Stunden lang in Hab-Acht-Stellung an der Mauerkante. Ihr und den beiden anderen Kindern Hermanns wird die Flucht gelingen.
Alois Hermann ist gebürtiger Böhme, er übersiedelt 1897 nach Innsbruck und führt hier zusammen mit seiner Frau Wilhelmine eine Branntweinbrennerei und Likörfabrik. Auch ist Hermann im Großhandel mit Essigessenz und Weinessig tätig, betreibt zudem eine Teegroßhandlung. Dieser umfangreiche Besitz steht ganz oben auf der Liste der hiesigen NS -Führung, sie setzt alles daran, Hermann gefügig zu machen. Der 72-Jährige wird verprügelt, drei Monate lang inhaftiert, mit der Deportation in ein Todeslager bedroht. Kurzum, Hermanns Betrieb geht zu einem niedrigen Preis an die Südtiroler Firma Lauda –
Lauda?
Ende Juni 1939 treffen Hitler und Mussolini ein Optionsabkommen, das die Abwanderung von Südtirolern ins Deutsche Reich beinhaltet. Daher werden rasch auch in Innsbruck Betriebe und Liegenschaften für die Wohlhabenden unter den Optionswilligen benötigt. Im korrupten nationalsozialistischen System gelingt es den Laudas, die über einen großen Besitz in Südtirol und Innsbruck verfügen, sich schnell trotz Nichtparteimitgliedschaft mit den hiesigen Behörden gutzustellen, sodass sie mit deren Erlaubnis als „Arisierer“ des hermannschen Besitzes auftreten dürfen.
Und die Hermanns?
Ihr Leidensweg ist noch nicht zu Ende. Dass sie den Verkaufspreis ihres Betriebs nicht erhalten, wird zur Randnotiz in ihrer Geschichte.
Wilhelmine und Alois Hermann wohnen seit der Zwangsübersiedlung im Herbst 1938 in miserablen Verhältnissen in der Alserstraße 23 im 8. Wiener Gemeindebezirk. Ende Oktober 1941 werden sie ins Ghetto Lodz verfrachtet. Dort gibt es weder Kanalisation noch sanitäre Einrichtungen, zu sechst in ein Zimmer eingepfercht
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