Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
Bauer, geborene Gold, überlebt ihren Sohn Wilhelm um vier Jahre. Am 13. April 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wird sie am 26. September nahe Minsk im Vernichtungslager Maly Trostinec umgebracht. Ihr Mann Julius Bauer hatte einst eine Manufakturenhandlung unter den Altstadtlauben gegründet, Herzog-Friedrich-Straße 7, eine weitere Niederlassung gab es in der Brixner Straße 2. Gut zwei Monate nach dem Anschluss ist in den Innsbrucker Nachrichten zu lesen: „Die Firma Julius Bauer & Co ist in arischen Besitz übergegangen.“
SS -Oberführer Feil, gebürtiger Oberösterreicher und seit 1932 Mitglied der NSDAP , hat für Richard Berger, Richard Graubart, Wilhelm und Karl Bauer klare Mordbefehle ausgegeben. Nach dem Krieg gelingt Feil unter Mithilfe des aus Graz stammenden katholischen Bischofs Alois Hudal die Flucht nach Argentinien.
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Schaut euch die Häuser genau an, gibt die Nazi-Elite ihrem Totschlägertrupp mit auf den Weg. Sie brauchen Villen, die Herren Führer SS , residiert doch auch der Gauleiter Tirol in der Schindlervilla am Rennweg.
Was passierte mit den Schindlers?
Hugo Schindler emigriert nach England; auch seinem Bruder Erich und dessen Frau Margarete gelingt die Flucht. Das Café Schindler wird von SS -Sturmführer Franz Hiebl „arisiert“, er ist Blutordensträger und altgedienter Parteifunktionär.
Die Immobilie in der Gänsbacherstraße 4 erwirbt die Sparkasse der Stadt Innsbruck und überlässt sie großzügigerweise der SS als Sitz.
Und das Haus in der Gänsbacherstraße 5?
Hier erweist sich der Generaldirektor der Stadtwerke als Meistbieter. Die sich darin befindliche Wohnung der Familie Graubart wird drei Monate später Edmund Christoph, dem damaligen Bürgermeister von Innsbruck, als Bürgermeisterwohnung zuerkannt.
Im ganzen Deutschen Reich werden in der so genannten „Kristallnacht“ mindestens 91 Menschen ermordet, vier davon in Innsbruck, womit die Stadt im Verhältnis zur Größe der jüdischen Gemeinschaft zu einem der blutigsten Schauplätze der Pogrome wird. Dabei sind die Morde nur die Spitze der Gewalttätigkeiten, Schritt für Schritt arbeiten sich die Kommandos vor, bei mehr als 25 Familien dringen sie ein, verwüsten Wohnungen, verprügeln deren Besitzer.
So geschehen in der Adamgasse 9, wo sich das von Bernhart Diamand geführte Bekleidungshaus Kühne befindet. Bernhart ist eines der vier Kinder von Ephraim und Mina Diamand, er wohnt über dem Geschäft, seine Eltern sind an jenem Abend zu Besuch, als der Schlägertrupp auftaucht. Gleich beim Öffnen der Tür wird Ephraim Diamand niedergeprügelt, dann geht man auf seine Frau los. Als Ephraim ihr zu Hilfe eilen will, schlagen die SS -Männer mit einem Stock so lange auf den 73-Jährigen ein, bis er blutüberströmt zusammenbricht. Dann wird er über die Stiege hinabgestoßen, bekommt vor dem Haus noch Fußtritte versetzt, ehe er mit seinem Sohn bis zum 21. November in Gestapo-Haft verschwindet. Nach der Entlassung muss die Familie unter Zwang nach Wien übersiedeln, wo Bernhart 1939 und Mina 1942 stirbt. Sohn Bernhart wird nach gescheiterter Flucht in verschiedenen französischen Lagern interniert und 1942 im polnischen Vernichtungslager Sobibor ermordet.
In der Adamgasse 9a wohnt Elfi Rado mit ihren Eltern Louis und Anni und den Geschwistern Paul, Helene und Grete. In der Pogromnacht wird Louis Rado in der Wohnung verprügelt, die Familie muss am 10. November Innsbruck verlassen und flüchtet nach England.
Das Rollkommando ist in die Andreas-Hofer-Straße 29 unterwegs zu Arthur Goldenberg, seine Frau hat sich erst vor wenigen Tagen durch einen Sprung aus dem Fenster das Leben genommen. Bis zu sechs Täter dringen in die Wohnung ein und schlagen Arthur Goldenberg mehrere Zähne aus. Er erreicht 1939 zusammen mit seinem Sohn Fritz Palästina, sein älterer Sohn Alfred kann schon im Herbst 1938 dorthin fliehen.
Ein Tatort ist auch die Beethovenstraße 5. Nach der Zerstörung der Wohnung des Ehepaars Julius und Laura Popper wirft man die beiden kurzerhand in die Sill, nur mit Müh und Not können sie sich ans Ufer retten.
Dr. med. Moses Haber, praktischer Arzt, Defreggerstraße 4 – verkündet ein Briefkopf aus den 30er-Jahren. Doktor Haber, seine Frau Selda-Lea und die beiden Söhne Hans und Ernst fliehen im November 1938 in die Stadt Kowno, heute Kaunas, in Litauen. Dort ereilt sie 1942 der Befehl, sich ins Kownoer Ghetto zu begeben, das ab 1943 KZ Kauen heißt. Einzig Sohn Ernst überlebt die
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