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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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von dem Schrecken erholt und packte kräftig mit an, als man Bergers Leiche in den Inn –
    Wer ist man?
    Einer davon ist heute noch namentlich auf einer Erinnerungstafel, „Für des deutschen Volkes Ehre opferten ihr Leben“, genannt: Gerhard Lausegger, Adjutant der 87. SS -Standarte Innsbruck, Mitglied der Burschenschaft Suevia.
    In der Anichstraße 13, da ist doch –
    Spaziere diese Straße hinab und du kommst an im Grauen. Nimm das Haus Nr. 3, hier wohnten Julius und Rosa Meisel zusammen mit dem Neffen Marcel, hier befand sich einst auch das Modenhaus Julius Meisel, dessen Namensgeber in der Pogromnacht attackiert wird. Marcel Meisel kann noch 1938 nach England emigrieren, Julius und Rosa Meisel gelangen nach Wien, von wo sie 1942 nach Polen deportiert werden, sie kehren nicht mehr zurück.
    Schau auf die gegenüberliegende Straßenseite! Anichstraße 4, dort befand sich das Kleiderhaus Zum Matrosen, es gehörte Leon Abrahamer, in Galizien geboren, er lebte in Wien und starb dort 1918. Sein Innsbrucker Geschäft betraten Kunden zunächst in der Erlerstraße 4, direkt gegenüber der Wagner’schen Druckanstalt. Um 1911 erfolgte dann die Verlegung des Betriebs in die Anichstraße. Leon Abrahamers Sohn, ebenfalls in Wien ansässig, muss im Jahr 1938 mit ansehen, wie ihm das Geschäft einfach gestohlen wird.
    Nach dem Auszug Abrahamers aus der Erlerstraße eröffnet dort der aus Galizien stammende Julius Krieser ein Herrenkonfektionsgeschäft. Im gleichen Haus ist seit 1924 auch noch das jüdische Damenwäschegeschäft der Pini Stössinger untergebracht, die aufgrund ihrer tschechischen Staatbürgerschaft im Oktober 1938 nach Prag ausgewiesen wird – ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.
    Und Julius Krieser?
    Der wird 1938 von der Gestapo verhaftet. Seine Tochter Käthe weist man am 14. Oktober 1941 ins Ghetto Lodz ein. Über das Schicksal ihrer Zwillingsschwester Erna ist nichts bekannt. Die Eltern der beiden, Julius und Fanny Krieser, werden in Auschwitz ermordet. Wo Kriesers Geschäft untergebracht war, befindet sich heute eine der Filialen eines Innsbrucker Kaufmanns, der 1938 als Parteigenosse das Kleiderhaus Zum Matrosen in der Anichstraße 4 „arisierte“ –
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    „Arisieren und Entjuden“, das ist in Innsbruck die Aufgabe des Parteigenossen Hermann Duxneuner, der eng mit der hiesigen Gestapo-Stelle zusammenarbeitet. In Aktenordnern, die nach 1945 von der Staatspolizei sichergestellt wurden, sind Korrespondenzen festgehalten, aus denen hervorgeht, dass bereits wenige Wochen nach dem Anschluss zahlreiche Zuschriften bei Duxneuner eingehen, in denen Kaufwillige ihr Interesse am Erwerb „arisierter“ Geschäfte und Wohnungen bekunden und dem „Arisierungsprozedere“ noch eine zusätzliche Note an Widerwärtigkeit verleihen. Und wer da nicht aller vorstellig wird, sogar aus dem Altreich langen Ansuchen ein.
    Sofort öffnet Duxneuner jenen Brief, der im Februar 1939 auf seinem Schreibtisch landet, ist doch der Absender das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin. Das Schreiben vermerkt, dass an der Innsbrucker Universität sieben Lehrstühle neu zu besetzen seien, wobei das Tempo der Besetzungen „in der Hauptsache“ davon abhänge, „wie schnell die einzelnen in Innsbruck eine Wohnung finden können.“
    Duxneuner schreitet insgesamt in rund 140 Fällen zur Tat. Hör dir an, was Max T. aus Innsbruck 1946 zu sagen hat!
    „Ich habe mich aber bereits 1937 von der Idee des Nationalsozialismus abgewendet. Wenn mir nun vorgehalten wird, daß ich 1938 kurz nach der Machtübernahme Blockleiter und später Zellenleiter der NSDAP wurde, so war dies der Fall, es wurde mir als altem Pg das Angebot gemacht, dies zu übernehmen und aus geschäftlichen Gründen konnte ich nicht ablehnen, da meine gegnerische Einstellung sonst offenkundig gewesen wäre. Ich habe mich damals über den Arisierungskommissar Ing. Duxneuner um die Wohnung des Ing. Berger, also meine heutige Wohnung, beworben, und zwar war ich genötigt, mehrere Eingaben zu machen. Ich mußte einen direkten Kampf um diese Wohnung führen, weil eine Menge Leute, hohe Persönlichkeiten darunter sogar der Polizeidirektor Dr. Franzelin, auf die Wohnung reflektierten. Mehrmalige Vorsprachen bei Ing. Duxneuner waren erforderlich, und schließlich gelang es mir, die Wohnung zu erhalten.“
    Was ziert er sich bloß so lange, der Duxneuner, mag Max T. sich damals gedacht haben, standen doch genügend Wohnungen frei in der

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