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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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war Anwalt, er war im Gericht zu Hause. Er hat meinen Sohn auf dem Gewissen und hat dafür nur ein paar läppische Tagessätze an eine gemeinnützige staatliche Einric h tung zahlen müssen. Ist er danach zu Ihnen nach Hause gekommen und zur Tagesordnung übergegangen? «
    Er war danach ganz sicher nach Hause gekommen. Er hatte dieses erschütternde Erlebnis mit sich herumge tragen und nicht gewagt, mit mir darüber zu sprechen. Ich wollte mir seine Qualen nicht vorstellen. Sie würden sich zu meinen addieren. » Ich habe gehört, dass Sie sich am Freitag vor seinem Tod mit meinem Mann getroffen haben. «
    » Er hat sich mit mir getroffen, so wird schon eher ein Schuh daraus. «
    » Was wollte er von Ihnen? «
    » Er wollte meine Absolution. Er wollte, dass ich ihm verzeihe und ihn von seiner Schuld freispreche. Das Leben wird schwer, wenn man seinen inneren Frieden verloren hat. «
    Ich hatte das Gefühl, als würde sich ein Sturzbach von Tränen hinter meinen Augen anstauen. » Hat er sich so ausgedrückt? «
    » O nein, das wäre ja einem Schuldeingeständnis gleichg e kom men. Dazu war er zu schlau. Er hat es schön verpackt, hat mich gefragt, wie es mir geht, ob ich einigermaßen zurech t komme, hat gesagt, er würde sich viele Gedanken um mich machen. Er wollte wissen, ob er mir irgendwie helfen könne. « So wie sie es sagte, klang es, als habe er sie hinterrücks ang e griffen. » Ich habe ihm gesagt, er könne mir meinen Sohn zurückbringen oder sich zum Teufel scheren. «
    » Warum haben Sie der Polizei für den Montagabend ein falsches Alibi genannt? «
    » Weil ich der Justiz seit Tills Tod nicht mehr traue. «
    » Die Kripo ist nicht die Justiz «, sagte ich automatisch.
    Sie nahm keine Notiz von meinem Einwurf. » Einer der ihren ist tot. Und ich habe am Ende der Verhandlung nicht gerade ein Blatt vor den Mund genommen. «
    » Was haben Sie gesagt? « Jetzt war ich bis hierher ge gangen, jetzt konnte ich mir auch noch den Rest anhören.
    » Ich habe gesagt, ich wünschte, er wäre tot. « Sie löste ihre Fäuste und streckte die Finger. » Manchmal gehen Wünsche in Erfüllung. «
    Während sie vor sich hinstarrte, drangen ihre Worte wie Messer in mich.
    Dann sah sie mir in die Augen. » Ein Leben für ein Leben, Frau Gaspary. Ich habe einmal geglaubt, das würde mir etwas von meinem Schmerz nehmen. Aber der Tod Ihres Mannes hat nichts daran geändert. «
    » Er lässt Sie kalt. «
    » Er lässt mich unberührt. «
    » Macht der Schmerz das aus einem? « Plötzlich hatte ich Angst, nicht in ein Gesicht, sondern in einen Spiegel zu sehen.
    » Wenn Ihr Kind auf diese Weise ums Leben kommt, dann haben Sie Schuldgefühle, weil Sie es in fremde Hände gegeben haben. Ihre Ehe geht kaputt, weil Ihr Mann Ihnen die Schuld am Tod Ihres Sohnes gibt. Immerhin haben Sie ihn in fremde Hände gegeben und nicht selbst auf ihn aufgepasst. Wenn Sie noch ein weiteres Kind haben, dann müssen Sie für dieses Kind weiterl e ben, obwohl Sie sich eigentlich nur noch einen Strick nehmen wollen. Und dieses Kind, das übrig bleibt, wird von Ihnen überbehütet, weil da eine unvorstellbare Angst ist. Und diese Angst kann Ihnen niemand nehmen, weil Sie aus Ihrer Erfa h rung geboren ist. Um also Ihre Frage zu beantworten, Frau Gaspary: Es gibt weit mehr als den Schmerz, wenn Sie Ihr Kind verlieren. Es gibt den Tod. Von einem Augenblick auf den anderen ist Ihr Leben vorbei. Das, was danach beginnt, ist ein Existieren. «
    Mein Magen überschwemmte meine Speiseröhre mit brenne n der Säure. » Warum haben Sie den Vorschlag für dieses Treffen gemacht, Frau Elverts? «
    Sie starrte an mir vorbei aus dem Fenster. » Keine Ahnung. «
    » Das kann ich nicht glauben. «
    » Ihr Mann hatte mehr als ein Jahr Zeit, über den Unfall und seine maßgebliche Beteiligung daran nachzudenken. Er hat die Zeit nicht genutzt. Ich glaube, es hätte mir genügt, wenn er mir einen Schritt entgegengekommen und den Hauch einer Einsicht gezeigt hätte. Aber er hat immer nur gesagt, wie Leid es ihm tue, wie sehr er sich wünsche, Tills Tod ungeschehen machen zu können, wie oft er die entscheidenden Sekunden immer wieder in seiner Erinnerung durchgespielt habe. Er hat jedoch nie gesagt, dass er einen Fehler gemacht hat, dass er nicht ganz bei der Sache und mit seinen Gedanken woanders war. «
    » Warum haben Sie den Vorschlag für dieses Treffen gemacht, Frau Elverts? «, wiederholte ich meine Frage.
    Sie hob den Kopf und sah mir ins Gesicht. » Ihr Mann

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