Im Angesicht der Schuld
musste. «
» Mit seinem Tod hat sie nichts zu tun. «
» Sagt sie das? «
» Helen, ich bitte dich! Jetzt gehst du zu weit. Ihr Besuch bei Gregor an dem Abend ist eine Sache. Aber sie lockt ihn b e stimmt nicht auf den Balkon, um ihn von dort in den Tod zu stürzen. Das ist eine absolut absurde Vorstellung. Hast du dir mal überlegt, was dazu gehört, jemandem einen solchen Stoß zu versetzen? «
» Ja, Joost, das habe ich. Dazu gehören entweder völlige G e fühlskälte, Grausamkeit und Gewaltbereitschaft oder aber heftige Gefühle, die außer Kontrolle geraten. Ersteres trifft ganz sicher nicht auf Annette zu. Aber was ist mit den überbordenden Gefühlen? Sie hat diese Barbara Overbeck für deine Geliebte gehalten. Vielleicht hat sie angenommen, dass Gregor dieses Verhältnis in irgendeiner Weise unterstützt. Gregor, der eigen t lich auf ihrer Seite sein sollte, der sie in ihrem Kampf gegen deine Geliebte unterstützen sollte. «
Mit einer fahrigen Geste fuhr Joost sich durch die Haare und schloss für einen Moment die Augen. » Barbara Overbeck ist nicht meine Geliebte «, sagte er mit Nachdruck. So wie er ihren Namen aussprach, schien er sie zu kennen.
» Aber sie ist dir nicht fremd. «
» Sie ist mir nicht fremd, aber auch nicht vertraut.
Herrgott noch mal! « Er sprang vom Sofa auf und lief einmal quer durch den Raum. Dann kam er zurück und stützte sich auf der Lehne eines Sessels ab. » Ich hatte beruflich mit ihr zu tun. Sie hat eine Vaterschaftsklage angestrengt, und ich wurde in diesem Verfahren als Gerichtsgutachter berufen. Das ist alles. «
» Und Gregor hat sie vertreten? «
» Ja. «
» Wie ist Annette auf die Idee gekommen, sie habe ein Ve r hältnis mit dir? «
» Wenn man krankhaft eifersüchtig ist, dann sieht man leicht mal Gespenster, wo keine sind. « Er setzte sich wieder und griff nach seinem Glas. » Annette ist … «
Ich fiel ihm ins Wort. » Du machst es dir sehr einfach, wenn du sie als krankhaft eifersüchtig abstempelst. Damit verlagerst du das Problem auf sie. «
» Und du meinst, ich sei das Problem? « Sein Mund verzog sich zu einem spöttisch-traurigen Lächeln.
» Zumindest bist du ein Schürzenjäger und machst deiner Frau das Leben dadurch manchmal sehr schwer. «
Er schwenkte das Glas in seinen Händen und versenkte den Blick im Rotwein. Schweigen machte sich zwischen uns breit.
» Die Kripo hat heute versucht, dich zu erreichen «, sagte ich nach einer Weile.
Erschöpft lehnte er sich zurück. » Ich weiß. «
» Und du bist sicher, du hattest mit Barbara Overbeck keine Affäre? «
» Helen, was soll diese Frage? Natürlich bin ich sicher! «
» Vielleicht hast du Angst vor Annettes Reaktion und leugnest deshalb … «
» Annettes Reaktionen sind mir nach all den Jahren vertraut, davor habe ich keine Angst. Warum fällt es dir so schwer, mir das zu glauben? «
Ich atmete tief durch. » Wenn ich dir glaube, muss ich die Hoffnung fahren lassen, dass die Kripo diese Spur weiter verfolgt. Und das wird dann sicher das Ende der Ermittlungen bedeuten. Gregors Tod wird nicht aufgeklärt werden. «
Er sah mich an, als wäre ich von allen guten Geistern verla s sen. » Helen, wenn es überhaupt eine Spur gibt, dann ganz sicher keine, die zu uns führt! «
» Zu Annette hat eine Spur geführt. «
» Aber sie ist ins Leere gelaufen. «
N ach immerhin fünf Stunden Schlaf hatte ich den Rest der Nacht wach gelegen. Im Geist war ich noch einmal jedes Detail der Gespräche mit der Kripo und Joost durchgegangen. Gegen Morgen war mir eine Unstimmigkeit aufgefallen. Joost hatte gesagt, dass er im Zuge von Barbara Overbecks Vaterschaft s kla ge als Gerichtsgutachter berufen worden war. Wenn Gregor sie in dieser Sache tatsächlich vertreten hatte, dann hätte sie schon viel länger seine Mandantin gewesen sein müssen. An Gregors Todestag hatte sie laut Aussage seiner Mitarbeiterinnen jedoch erst ihren zweiten Termin bei ihm gehabt. Ich nahm mir vor, Joost nach meiner Stunde bei Eliane Stern im Institut aufzusuchen.
Nelli kam früher als üblich an diesem Morgen. Sie hatte Croissants und Brötchen mitgebracht.
» Ich dachte, wir frühstücken mal zusammen «, sagte sie in einem schnoddrigen Tonfall und füllte den Inhalt der Tüte in einen Korb.
Ich stellte Butter und Honig dazu. » Seit wann frühstückst du morgens? «
» Heute mache ich eine Ausnahme. «
Als wir alle drei am Tisch saßen, sah ich sie forschend an. » Steckt Isa dahinter? «
» Sie
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