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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Zweifel mehr bestehen, wer für die Tat verantwortlich war.
    «Thomas, beruhige dich!»
    Nachdem der Pfarrer sich gesetzt hatte, beantwortete Boysen seine Frage.
    «Nein, niemand hat was gesehen. Das Ganze ging wahrscheinlich sehr schnell. Haben Sie irgendeine Ahnung, wer der Täter sein könnte? Werden Sie bedroht, oder haben Sie irgendwelche Feinde?»
    Angela und Thomas schüttelten fast synchron den Kopf. Boysen glaubte ihnen nicht. Er war sicher, dass die beiden ihm irgendetwas verschwiegen. Deshalb ließ er noch einen Testballon steigen.
    «Wo ist eigentlich Ihr Mann, Frau Engel?»
    Volltreffer. Kaum hatte er seine Frage ausgesprochen, erstarrten ihre Gesichter in einer Art panischer Schrecksekunde. Er hatte das oft erlebt. Wenn man den wunden Punkt bei einem Menschen berührt, verliert er für den Bruchteil einer Sekunde die Kontrolle über seine Mimik. Angela Engel fing sich als Erste.
    «Er ist in England. Dienstlich. Leider im Moment nicht zu erreichen.»
    Da habe ich euch also erwischt, dachte Boysen. Der saubere Herr Pfarrer treibt es mit seiner Schwägerin, während sein Bruder auf Dienstreise im Ausland ist.
     
    ***
     
    Sein Herz klopfte bis zum Hals. Nachdem er die lange Telefonnummer gewählte hatte, dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis endlich ein Freizeichen kam. Nach dem dritten Klingelton meldete sich eine energische Stimme:
    «Pronto!»
    Thomas räusperte sich, und er kramte seine geringen Italienischkenntnisse zusammen.
    «Hier ist Thomas Engel aus Deutschland. Kann ich bitte Mr. di Lucca sprechen.»
    «Si, bitte warten», antwortete die jetzt deutlich sanftere Stimme in gebrochenem Deutsch. Schon einen Augenblick später meldete sich di Lucca.
    «Hallo Thomas, was kann ich für Sie tun?»
    Thomas atmete einmal tief durch. Wie konnte dieser di Lucca so tun, als wüsste er nicht, worum es ging? Am besten fiel er direkt mit der Tür ins Haus.
    «Guten Tag, Mr. di Lucca. Ich störe Sie hoffentlich nicht bei wichtigen Amtsgeschäften - etwa bei der Verschleppung unschuldiger Kinder.»
    «Beruhigen Sie sich, Thomas. Wir sahen keine andere Möglichkeit, als Ihnen und Ihrer Schwägerin die Dramatik der Situation bewusst zu machen.»
    «Wen meinen Sie mit wir?»
    «Sie glauben doch nicht, dass ein einfacher Diener des Herrn, wie ich es bin, eine solche Aktion alleine verantwortet.»
    Thomas presste den Telefonhörer immer noch verkrampft gegen das Ohr. Der Amerikaner redete um den heißen Brei herum.
    «Wer ist dann verantwortlich?»
    «Lassen Sie es mich so sagen, Thomas. Der Plan stammte tatsächlich aus meiner Abteilung, wobei wir größten Wert darauf legten, dass Ihrer Nichte nichts passierte. Wie geht es dem Mädchen überhaupt?»
    «Sie ist in Ordnung, den Umständen entsprechend. Aber lenken Sie nicht ab. Wer trägt die Verantwortung? Mit dem will ich sprechen.»
    «Das wird nicht so einfach gehen, Thomas. Die Aktion ist von solcher Wichtigkeit, dass selbstverständlich der Heilige Vater eingeweiht ist.»
    Das kann nicht wahr sein, dachte Engel. Jetzt kommt er mit dem Papst. Wahrscheinlich schiebt er ihn vor. In einer hierarchischen Organisation mit einem absoluten Alleinherrscher an der Spitze konnte man am Ende alles auf ihn abwälzen.
    «Dann sagen Sie mir jetzt, was Sie wollen.»
    «Der Heilige Vater bittet Sie um Ihre Mitarbeit. Es könnte sein, dass wir bald einen Emissär benötigen. Noch wissen wir nicht genau, ob es dazu kommt und wer der Empfänger dieser Nachricht sein wird. Auf jeden Fall ziehen wir Sie als Übermittler in Betracht.»
    Langsam wurde es Thomas Engel zu bunt. Was für Taschenspielertricks versuchte dieser di Lucca da?
    «Was ist das denn für ein Geschwurbel? Warum überbringen Sie diese Nachricht nicht einfach selbst?», fragte er barsch.
    «Weil diese Nachricht nur von einer Person überbracht werden kann, der Ihr Bruder absolut vertraut.»
    «Aha! Und was soll diese geheimnisvolle Nachricht sein?»
    Di Lucca, der bisher sehr leise gesprochen hatte, erhob seine Stimme.
    «Erzählen Sie ihm einfach von Hannahs kurzem Aufenthalt in unserer Obhut. Ich bin sicher, er wird verstehen.»
    Das war es also. Thomas lockerte seinen verkrampften Griff um das Telefon. Sie wollten, dass er seinen Bruder dazu brachte, gegen Henderson zu arbeiten. Hannahs Entführung diente gleich zwei Zielen. Er selbst sollte dazu bewegt werden, für di Lucca zu arbeiten, und gleichzeitig war sie als Warnung an seinen Bruder gedacht: Wenn du nicht tust, was wir wollen, gefährdest du deine Familie.

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