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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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verließ das Zimmer ohne ein weiteres Wort.
    Engel ging um den Schreibtisch und setzte sich auf den Stuhl. Er spürte, dass er am ganzen Körper zitterte. Sollte er wirklich dabei sein, wenn Weltgeschichte geschrieben wurde?
     
    ***
     
    Angela ließ sich entspannt in den Liegestuhl fallen und zog die dicke Lammfelljacke fest um sich. Vor ihr lag fast schwarz das Meer. Die Häuser an der Kraterwand konnte sie deutlich erkennen. Sie waren so leuchtend weiß gestrichen, dass selbst das Licht des noch nicht ganz vollen Mondes reichte. Ein großes Kreuzfahrtschiff mit seinen Tausenden von Lichtern drehte ab und fuhr aus der Caldera heraus.
    Nach dem Besuch bei Hannah und dem unerfreulichen Gespräch mit diesem Kommissar war Angela direkt in die Stadt gefahren. Im Taxi grübelte sie darüber nach, wohin sie und Hannah reisen sollten. Als Erstes kam ihr das Ferienhaus auf Sizilien in den Sinn. Sie verwarf diesen Gedanken sofort, Wolfram hatte ihr unmissverständlich nahegelegt, ein unbekanntes Reiseziel zu wählen. Als sie das erstbeste Reisebüro betrat, fiel ihr Blick auf ein Werbeplakat für die Kykladen. Kubische weiße Häuser schmiegten sich an eine steile Felswand. Kamen nicht Jannis und Maria aus Santorin? Seit seinen Studentenzeiten war Wolfram Stammgast in dem kleinen Restaurant. Stundenlang hatten sie sich mit dem griechischen Paar unterhalten, die ihnen von der Schönheit ihrer Insel erzählten.
    «Warum fahrt ihr nach Sizilien?», fragten sie ständig. «Wenn ihr einmal im Licht der Kykladen gesessen habt, wollt ihr nirgendwo anders mehr hin.»
    Vielleicht hatten sie sich genau davor gefürchtet und verschoben eine Griechenlandreise immer wieder.
    Vor einem Jahr luden Jannis und Maria alle Stammkunden zu einer Abschiedsparty ein. Sie hatten sich endlich ihren Traum erfüllt und eine kleine Pension auf Santorin gekauft. Drei Monate später kam eine Postkarte, auf der man ein schmuckes, aufgeräumtes Zimmer, die von Weinreben überdachte Terrasse, vor allem aber den atemberaubenden Blick auf die Caldera sehen konnte. Auf der Rückseite stand nur ein Satz. «Wir würden uns freuen, Eure Gastgeber zu sein.»
    Angela entschied sich spontan. Um diese Jahreszeit gab es keine Direktflüge, sie mussten in Athen umsteigen. Dafür konnten sie aber bereits am späten Nachmittag fliegen und waren am Abend auf Santorin.
    Die Fahrt vom Reisebüro zurück zur Villa nutzte sie, um alles in die Wege zu leiten. Das Haus musste die nächsten Wochen betreut, die Blumen versorgt, die Reservierungen entgegengenommen werden. Gott sei Dank gab es ein paar Menschen, auf die sie sich in dieser Beziehung hundert Prozent verlassen konnte.
    Sie packte zwei Koffer, einen für sich und einen für Hannah, wobei sie wusste, dass ihre Tochter mit ihrer Kleiderauswahl unzufrieden sein würde. Zum Schluss legte sie das Notebook sowie den iPod obenauf.
    Die Ärzte waren entsetzt, als Angela ihnen eröffnete, sie nähme ihre Tochter auf der Stelle mit. Sie wäre viele Stunden in einer Art Narkose gehalten worden, die Nebenwirkungen seien noch nicht absehbar. Hannah war froh, als sie das Krankenhaus verlassen konnte. Sie schlief im Taxi sofort ein, bekam vom Flug so gut wie nichts mit und lag jetzt bereits im Bett.
    «Schön, nicht wahr?»
    Angela hatte nicht bemerkt, dass Jannis auf die Terrasse gekommen war. Er setzte sich auf die Kante des zweiten Liegestuhls. Normalerweise hielt er sich kaum an einem derart kühlen Frühlingsabend draußen auf. Er trug eine dickte Steppjacke und eine Strickmütze, als wolle er zu einer Skiwanderung aufbrechen. Angela nickte lächelnd.
    «Wunderschön.»
    «Warte erst einmal, bis du es morgen im Sonnenlicht siehst.» Jannis zeigte mit dem Kopf nach oben in Richtung der Schlafzimmer.
    «Wie geht es ihr?»
    «Gut, sie schläft. Die Ärzte meinten, es wird ein paar Tage dauern, bis das Gift aus ihrem Körper geschwemmt ist.»
    Sie hatte Jannis direkt nach ihrer Ankunft eine Kurzzusammenfassung der Ereignisse der letzten Tage gegeben. Besser, er wusste Bescheid.
    «Und du glaubst wirklich, Wolfram hat das Skelett von Jesus gefunden?»
    Angela zuckte schweigend mit den Schultern, und so setzte er hinzu:
    «Wäre nicht schlecht. Dann würde den Popen hier endlich die Hölle heißgemacht. Die haben eh noch viel zu viel zu sagen im Dorf.»
    «Na, du alter Kommunist», lachte Angela.
    «Ist doch wahr», antwortete Jannis mit gespielter Entrüstung. «In Griechenland geht nichts ohne die Kirche, sie ist hier immer noch

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