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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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bisschen musste er preisgeben, an der entscheidenden Stelle aber lügen.
    «Ich denke, es ist besser, wenn sie aus Hamburg verschwindet. Ich habe ihr geraten, in unser Ferienhaus auf Sizilien zu fahren.»
    Engel drückte sich mit den Händen am Sofa ab, als wolle er aufstehen. Dann verharrte er zwei Sekunden in dieser verkrampften Haltung, eher er sich zurückfallen ließ.
    «Was ich Sie schon lange fragen will, Sarah: Was ist Harold eigentlich für ein Typ? Als Mensch, meine ich.»
    «Warum fragen Sie das mich?»
    Engel zuckte mit den Schultern.
    «Vielleicht, weil Sie schon ein paar Jahre mit ihm arbeiten.«
    Sarah sah Engel direkt in die Augen.
    «Gegenfrage: Was wissen Sie von Harolds Kindheit?»
    Engel zog die rechte Augenbraue hoch.
    «Nichts. Warum sollte das wichtig sein?»
    Sarah stand abrupt vom Sofa auf und ging zum Fenster. Von Engel abgewandt, sprach sie weiter.
    «Es ist nicht nur wichtig, es erklärt alles. Wenn Sie Henderson verstehen wollen, müssen Sie seine Geschichte kennen.»
    Aus Sarah Goldbergs Handtasche ertönte «Let it be» von den Beatles. Sie drehte sich auf dem Absatz um und nahm das Handy aus der Tasche. Nachdem sie ein paar Worte mit dem Anrufer gewechselt hatte, drehte sie sich um.
    «Tut mir leid, Wolfram, aber wir müssen unser Gespräch vertagen. Die Pflicht ruft.»
     
    ***
     
    «Wir haben sie an der Außenalster gefunden, nachdem im Revier 86 ein anonymer Hinweis eingegangen war.»
    Kommissar Boysen hatte Angela Engel und ihren Schwager in die Cafeteria des Krankenhauses gebracht, wo sie jetzt einen wässrigen, koffeinfreien Kaffee vor sich stehen hatten. Nachdem sie Hannah gesehen und sie in den Arm genommen hatte, war alle Anspannung von ihr gewichen, und sie wirkte ruhig, fast entschlossen, als sie fragte:
    «Wie hat man sie aufgefunden? Gab es da irgendetwas Auffälliges?»
    «Und ob!»
    Boysen griff in die Tasche seines grauen Jacketts und holte eine Mappe hervor, der er einige Fotos entnahm. Er breitete sie vor Angela und Thomas aus. Die ersten drei Fotos zeigten Hannah, die in einen weißen Plastikanzug gekleidet war. Der Anzug bedeckte den ganzen Körper, die Füße steckten in Plastiküberziehern, und eine Kapuze bedeckte den Kopf und den größten Teil des Gesichts. Der Streifenbeamte, der als Erster bei Hannah war, hatte geistesgegenwärtig seine private Digitalkamera benutzt, die er zum Glück eingesteckt hatte, weil am Nachmittag die Abschiedsparty ihres Revierleiters stattfinden sollte, der nach siebenunddreißig Jahren in den Ruhestand ging.
    «Solche Anzüge benutzt normalerweise unsere Spurensicherung, damit sie nichts am Tatort hinterlassen. Ich verwette mein Gehalt, dass wir an diesem Anzug nicht eine einzige Faser finden werden.»
    Boysen registrierte den tadelnden Blick des Pfarrers, fuhr aber unbeirrt fort.
    «Hannahs eigene Kleidung ist verschwunden.»
    Die nächsten Fotos waren in der Klinik entstanden und zeigten verschiedenen Medaillons, Ketten und silberne Anhänger. Daneben lag jeweils ein Millimetermaß, um die Größe zu erkennen. Insgesamt waren es dreißig oder vierzig solcher Schmuckstücke. Boysen wandte sich an Angela.
    «Kennen Sie diese Stücke?»
    «Nein, nie gesehen. Warum fragen Sie?»
    «Ihre Tochter war von oben bis unten mit diesen Medaillons behängt. Sie zeigen allesamt christliche Motive. Können Sie sich darauf einen Reim machen?»
    Angela sah Thomas hilfesuchend an. Er nahm ihre Hand und drückte sie ganz leicht, damit Boysen es nicht merkte. Sei still, wollte er ihr signalisieren. An den Kommissar gewandt, sagte er beiläufig:
    «Wahrscheinlich irgendein religiöser Fanatiker, Anhänger einer Sekte, der auf sich aufmerksam machen will.»
    «Das glaube ich nicht.»
    Boysen ging dieser Pfarrer auf den Geist. Er redete, als stünde er auf der Kanzel.
    «Dafür war die Tat viel zu minutiös durchgeführt.»
    Angela hob ihre Hand, sodass Thomas sie losließ.
    «Was genau ist passiert, Herr Kommissar?»
    «Der oder die Täter lauerten Ihrer Tochter vor der Schule auf. Sie kann sich nur daran erinnern, dass jemand sich von hinten näherte und ihr ein übel riechendes Tuch auf Mund und Nase presste. Von da an fehlt jeder Erinnerung bis zu dem Moment, wo sie im Krankenhaus die Augen aufschlug.»
    Thomas sprang von seinem Stuhl auf.
    «Aber das muss doch jemand gesehen haben am helllichten Tag!»
    Angela war über den Ausbruch ihres Schwagers überrascht. Anscheinend hatten ihn die vielen christlichen Medaillons mitgenommen. Es konnte kein

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