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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Menschen auftischt. Da willst du mir sagen, ich verkaufe meine Seele?»
    Für einen Moment trat Schweigen ein. Keiner wusste, was er sagen sollte. Endlich sagte Thomas, jetzt mit ruhiger und sanfter Stimme:
    «Komm, setz dich. Es hat keinen Sinn, wenn wir uns hier zerfleischen. Es geht um viel mehr als um historische Wahrheit und die Kirche.»
    Wolfram sah seinen Bruder fragend an.
    «Es geht um unser Glück, um unsere Unversehrtheit, um unser Leben.»
    «Sprich nicht in Rätseln, Herr Pfarrer.»
    Wolfram setzte sich neben seinen Bruder auf die Liege, der fortfuhr:
    «Ich hatte nicht geglaubt, dass sie es ernst meinen. Nachdem ich Hendersons Vorstellung gesehen habe, kann ich sie aber sogar verstehen.»
    «Wen oder was kannst du verstehen?»
    «Sie haben Hannah entführt.»
    Wolfram sprang auf, fasste seinen Bruder bei den Schultern und schüttelte ihn.
    «Was haben sie getan?»
    «Beruhige dich, ihr ist nichts passiert.»
    Thomas ergriff die Hände seines Bruders und hielt sie fest.
    «Sie haben sie nach ein paar Stunden freigelassen.»
    «Wen meinst du mit ‹sie›?»
    «Die Kirche, Wolfram. Leute aus der Kurie, keine Ahnung. Was glaubst du, warum sie ausgerechnet mich hierher schicken? Ich soll dich dazu bringen, dem Wahnsinn hier ein Ende zu bereiten. Andernfalls ...»
    «Was, andernfalls?» Wolfram schrie Thomas die Worte ins Gesicht.
    «Sie wissen, wo Angela und Hannah sind. Ich soll dir ausrichten, sie sind gut bei Jannis und Maria auf Santorin angekommen.»
    Wolfram sackte in sich zusammen, seine Hände glitten aus denen seines Bruders, und er rutschte auf den Boden. Die Angst, die er für einige Zeit erfolgreiche verdrängt hatte, kam schlagartig zurück. Natürlich, Santorin, er hätte darauf kommen können, dass Angela nach Griechenland fahren würde. Sie hatten oft darüber gesprochen, Jannis und Maria zu besuchen. Aber niemand sonst konnte das wissen. Also wurde sie beschattet. Sie hatten die Macht, alles zu tun. Sie konnten seine Tochter entführen und wieder auftauchen lassen. Genauso konnten sie seine Familie verschwinden lassen. Für immer.
    Er sah seinen Bruder aus ausdruckslosen Augen an.
    «Was glaubst du? Werden sie ihnen etwas antun?»
    Thomas wich seinem Blick aus.
    «Sie werden alles tun, um zu verhindern, dass die gotteslästerliche Vorstellung dieses Wahnsinnigen das Licht der Öffentlichkeit erblickt.»
    «Meinst du, dass sie dafür töten werden?»
    «Ich weiß es nicht.» Thomas drehte den Kopf leicht und blickte seinem Bruder in die Augen. «Aber nach dem, was ich vorhin gesehen habe ...»
    Er ließ den Satz unvollendet im Raum stehen, aber Wolfram nickte. Sein Bruder hatte recht. Die Kirche musste alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Eröffnung des Mausoleums zu verhindern. Wenn es nötig wäre, würden sie Angela und Hannah töten. Genauso wie Henderson und das ganze Team. Seltsamerweise wurde Wolfram in diesem Moment ruhig. Er hatte schon oft erlebt, dass die Angst verschwand, wenn er sich den Tatsachen stellte. Jetzt konnte er sich nicht mehr betrügen. Das Leben seiner Frau und seiner Tochter war in Gefahr. Sein eigenes auch, doch das ließ ihn kalt. Am schlimmsten war, dass es wahrscheinlich eine Bedrohung von zwei Seiten gab. Wenn Sanika mit ihrer Vermutung recht hatte, durfte auch Henderson kein Mitglied des Teams lebend entlassen.
    «Hast du einen Auftrag, Thomas?»
    Der Pfarrer ließ sich auf die Liege zurückfallen und schaute seinen Bruder aus leeren Augen an.
    «Ja, aber ich kann ihn nicht erfüllen. Sie haben mir das Miniaturfunkgerät abgenommen, mit dem ich eine Nachricht senden sollte. Kurz sollte sie sein, aber die Quintessenz dessen enthalten, was Henderson gefunden hat.»
    «Oder behauptet, gefunden zu haben», fiel ihm Wolfram tonlos ins Wort.
    «Was meinst du damit?»
    In den Augen des Pfarrers glimmte der Funke einer winzigen Hoffnung auf.
    «Das ist eine lange Geschichte, und jetzt ist nicht die Zeit, sie dir zu erzählen. Auf jeden Fall ist nicht unbedingt alles so, wie es zu sein scheint.»
    Thomas Engel setzte sich auf.
    «Ich muss wissen, auf welcher Seite du stehst, Wolfram.»
    «Das weißt du.»
    «Ich zweifle.»
    Wolfram Engel atmete tief durch.
    «Wo ich stehe? Auf der Seite der Wahrheit.»
     
    ***
     
    «Na endlich», rief Henderson, als Wolfram Engel aus dem provisorischen Krankenzimmer trat, «gut, dass du kommst. Du verpasst eine spannende Diskussion. Die Damen und Herren sind sich nicht einig, wie wir mit dem Angebot des

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