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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Papstes umgehen sollen.»
    Genau das hatte Engel gehofft. Die wenigen Meter zur Bühne hatten gereicht, um einen Plan glasklar vor seinem inneren Auge erscheinen zu lassen. Das Wichtigste war, Zeit zu gewinnen. Auf keinen Fall durfte Henderson jetzt an die Öffentlichkeit gehen. Er stellte sich neben Sarah Goldberg.
    «Was meint unsere PR-Spezialistin?»
    Die Präsentation hatte Sarah völlig verunsichert, und sie blickte Engel flehend an, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen. Er musste das Gespräch an sich reißen.
    «In der Tat ist das keine einfache Entscheidung. Ich an Harolds Stelle», er drehte sich zu Henderson um, «führe auf jeden Fall nach Rom. Es dürfte schließlich das letzte Mal sein, dass man den Papst in all seiner Pracht und Herrlichkeit erleben kann.»
    Henderson lachte auf.
    «So habe ich es noch gar nicht betrachtet. Ein schöner Gedanke.»
    «Quatsch! Wenn wir dem Papst den kleinen Finger reichen, reißt er uns die Hand ab.» Latour schien sehr verärgert, barsch, wie er sprach. «Ich habe das oft genug erlebt. Man kommt mit erstklassig belegten Ergebnissen, und anderntags steht in allen wichtigen Zeitungen der Welt: Jesusgrab von Wissenschaft als Schwindel entlarvt.»
    Einige im Team, vor allem Theresia Stone und Patrick Healey, murmelten Zustimmung.
    «Trotzdem», beeilte sich Engel zu sagen, ehe eine ungünstige Stimmung aufkommen konnte, «sollten wir nach Rom fahren. Wir brauchen nichts über unseren Fund zu berichten. Soll der Vatikan uns ein Angebot machen, wie er sich die Zusammenarbeit vorstellt. Es ist immer gut zu wissen, was der Gegner vorhat. Außerdem gewinnen wir Zeit.»
    Henderson winkte ab.
    «Zeit wofür? Die Präsentation ist in ein paar Tagen reif für die Öffentlichkeit, am Einsatzort ist alles vorbereitet, und unser holländischer Meisterskulpteur hat mir versichert, dass wir spätestens übermorgen einen lebensechten Korpus an dieses Kreuz nageln können. Mit dem originalgetreuen Gesicht von Jesus! Das ist die wirkliche Sensation!»
    «Sensation, Sensation!»
    Thomas Engel war unbemerkt in den Saal gekommen. Am liebsten hätte Wolfram ihn sofort wieder hinausbefördert. Er konnte alles kaputtmachen.
    «Was Sie hier planen, der Öffentlichkeit zu präsentieren, ist keine Sensation, sondern Sensationshascherei! Sie haben nichts und blähen es zu einer riesigen Seifenblase auf mit widerlichen Bildern, pornografisch und gewaltverherrlichend.»
    Henderson schob Latour zur Seite, der ihm den Blick auf den Pfarrer verstellte.
    «Ha! Das müssen Sie gerade sagen. Wir tun nichts anderes als Sie und Ihre Berufsgenossen seit zweitausend Jahren. Oder hängt nicht in jeder Kirche ein Kreuz mit einem sterbenden oder toten Menschen? Oder sprechen Sie etwa nicht vom Blut, das vergossen, und vom Fleisch, das hingegeben wurde? Wir benutzen Ihre Bilder und Ihre Sprache. Der einzige Unterschied ist: Sie lügen die Menschen an mit Ihrem Geschwafel von der Auferstehung. Wir sagen ihnen endlich die Wahrheit!»
    «Welche Wahrheit? Dass vor zweitausend Jahren irgendein Mann gekreuzigt worden ist, dessen Leichnam man jetzt in einem Sarg gefunden hat, auf den irgendjemand anderes den Namen Jesus geritzt hat? Das nennen Sie Beweise? Wissen Sie, was ich dazu sage: Betrug! Sie konstruieren eine Wirklichkeit, die es gar nicht gibt.»
    «Es geht schon los», mischte sich Latour ein. «Genau so fangen sie immer an, zu argumentieren. Sie verdrehen die Fakten, bis niemand mehr an sie glaubt, obwohl sie zigmal besser belegt sind als alles, was sie seit zweitausend Jahren lehren.»
    «Stopp!» Wolfram hob beide Hände über den Kopf. «So kommen wir nicht weiter.»
    «Genau, da hast du völlig recht.» Henderson griff in seine Hosentasche und holte einen Zettel und einen Füllfederhalter heraus. Wäre die Bühne besser beleuchtet gewesen, hätte Wolfram Engel gesehen, wie das Gesicht seines Bruders aschfahl wurde.
    «Reden wir lieber über Ihren Auftrag, Pfarrer Engel. Sie hatten doch eine Mission zu erfüllen, oder?»
    Als der Angesprochene schwieg, hielt der Brite den Füller und das Blatt Papier hoch.
    «Diesen kleinen Hochleistungssensor haben wir dem sauberen Herrn Pfarrer abgenommen. Schon erstaunlich, dass die Herren in Rom geglaubt haben, wir würden ihn mir nichts, dir nichts hier reinspazieren lassen und tatenlos zusehen, wie er unser kleines Geheimnis in die Welt hinausposaunt.»
    Wolfram Engel wusste, dass er eingreifen musste, um Thomas vor einer Dummheit zu bewahren, die zu unvorhersehbaren

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