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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Gerede nicht glauben soll.»
    Der Hafenmeister versprach mürrisch, diesen Anruf zu tätigen.
    Als er das Funkgerät ausgeschaltet hatte, drehte sich Jannis fröhlich um und sah in entsetzte Gesichter.
    «Warum müssen wir noch bis heute Abend hier aushalten?», maulte Hannah.
    Jannis wollte auf jeden Fall verhindern, dass ihnen die Verfolger auf den Fersen blieben. In der hereinbrechenden Dunkelheit würde es ihnen schwerfallen, das Boot vom Land aus zu verfolgen.
    «Sonst haben wir die Typen da draußen immer noch an der Backe, versteht ihr?»
    Angela zog die Decke um ihre Schultern, und Hannah brummte:
    «Wenn es sein muss.»
     
    ***
     
    Der große Besucherraum im Palazzo del Sant’Uffizio war verwandelt, als Bischof Legado kurz vor sechzehn Uhr durch die hohe Eingangstür trat. Die Tische waren wie für die Konsultation zweier Staatsdelegationen aufgestellt. Den Raum zwischen den Tischreihen schmückte ein aufwendiges Blumengesteck in den Farben Weiß und Gelb. An der Stirnseite des Raumes stand in einem Ständer die fast zwei Meter hohe Flagge des Vatikans. Die Machtverhältnisse im Raum sollten von vornherein klar sein. Die Mitglieder der päpstlichen Kommission waren, soweit sie den kurzfristig anberaumten Termin wahrnehmen konnten, bereits anwesend. Einige hatten tiefe Ringe unter den Augen und waren sichtbar übernächtigt von einer vielstündigen Anreise. Giuseppe Lamberti war in ein Gespräch mit Monsignore Mancini vertieft und grüßte Legado mit einem kurzen Nicken. Rechts neben ihm saß Konrad Feuchtner. Der renommierte Kirchenhistoriker aus Regensburg las in einem Stapel Akten. Als ihn die Einladung erreichte, hatte er zunächst abgesagt, die Fakultätssitzung des morgigen Tages musste vorbereitet werden, und er war wie immer in Verzug mit der lästigen Verwaltungsarbeit. Als ihn Kardinal Bertoni persönlich anrief und ihm die besondere Bedeutung der Sitzung erklärte, blieb ihm kaum etwas anderes übrig, und er hatte schweren Herzens zugesagt. Auf dem Platz am Ende der Tischreihe neben ihm hatte Jorge Maria Matinez Platz genommen. Der kleine und stämmige Mexikaner war erst vor drei Monaten in die Kommission berufen worden, und dies war seine erste Sitzung. Ihm war die Nervosität an der Nasenspitze abzulesen. Ständig tupfte er sich mit einem blütenweißen Taschentuch Schweißperlen von der Stirn.
    Links von Lamberti goss sich Dakila Lopez umständlich ein Glas Orangensaft ein. Er wurde seinem Vornamen, der aus einer der philippinischen Stammessprachen stammte und groß bedeutete, absolut gerecht. Mit seinen zwei Metern fünf überragte er alle anderen Sitzungsteilnehmer. Selbst Alfred Mbouga aus dem Senegal, der ebenfalls körperlich nicht gerade kleine Vertreter Afrikas in dieser Runde, war gut einen Kopf kleiner. Er sprach Lopez auf Englisch an, und die beiden waren augenblicklich in eine Unterhaltung vertieft.
    Die zwei Plätze vor dem Präsidiumstisch blieben leer. Die Kommission war trotz des brisanten Themas schwach besetzt. Nur sechs von dreizehn Mitgliedern hatten es einrichten können, von einem Tag auf den anderen nach Rom zu reisen. Diese geringe Beteiligung wurde mehr als ausgeglichen durch die Anwesenheit der Spitze der Kongregation für die Glaubenslehre. Unmittelbar nach Legado betrat Kardinalpräfekt James Bartoni den Raum. Er hatte sich für das volle Kardinalsornat entschieden und fiel damit unter all den anderen schwarz tragenden Herren deutlich aus den Rahmen. Auf Bitten Legados nahm di Lucca an der Besprechung teil. So bekam er gleich alle Informationen aus erster Hand.
    «Wo bleibt der verdammte Engländer», raunte Bartoni seinem Sekretär Legado zu und warf einen tadelnden Blick zur großen Wanduhr über der Tür. Es war eine Minute nach vier, und weder Henderson noch ein Mitglied seines Teams waren bisher eingetroffen.
    Bartoni und Legado schritten den Tisch ab und begrüßten alle Teilnehmer mit Handschlag. Als Martinez an der Reihe war, zeigte er sich sichtlich beeindruckt. Bartoni konnte ihn nur mit einem freundlichen «aber nicht doch» davon abhalten, ihm die Hand und den Ring zu küssen.
    Gerade als die Vertreter der Glaubenskongregation am Präsidiumstisch Platz genommen hatte, betrat Henderson den Raum. Di Lucca blieb fast der Mund offen stehen, als er den Aufzug des Engländers sah. Er trug einen knallroten Anzug mit einem weißen Rüschenhemd, dessen oberste Knöpfe offenstanden. Die Hose hatte einen Schlag wie in den Sechzigerjahren. Auf dem Kopf prangte ein

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