Im Auftrag der Lust
Stunden erstaunlich gut geschlafen.
Die Büroräume der Agentur Petite Mort lagen im fünfzehnten Stock eines Hochhauses in Downtown. Vor der Tür verspürte Sara die vertraute Mischung aus Zufriedenheit und Stolz in sich aufwallen – hinter diesen Türen lag alles, was sie sich in den letzten drei Jahren aufgebaut hatte.
Sie schob die Tür mit dem geschwungenen Türgriff auf und fand sich im Empfangsraum wieder. Zwei Sessel und eine Chaiselongue sorgten für Gemütlichkeit bei eventuell wartenden Kunden, die von der Sekretärin Mrs Poultry hinter dem Tresen empfangen wurden. Die Dame mit den tiefschwarzen Haaren, in denen sich die ersten grauen Strähnen geschlichen hatten, saß auch an diesem Morgen auf ihrem Platz.
»So früh schon hier, Mrs Poultry?«, fragte Sara lächelnd, während sie an den Tresen trat, um ihre Post entgegenzunehmen.
Die Sekretärin deutete mit einem Kopfnicken auf Saras Bürotür. »Sie kennen das ja, wenn ich nicht hier wäre, würde der Laden zusammenbrechen«, spottete sie gutmütig. »Wir haben einige Aufträge in der Warteschleife. Ich habe Ihnen schon eine Liste mit den verfügbaren passenden Mitarbeitern zusammengestellt und auf den Schreibtisch gelegt.«
»Haben Sie auch …«
»Ein Espresso und ein Bagel mit Frischkäse stehen daneben«, erwiderte die Dame ungerührt, und Sara schmunzelte. Sie nickte Mrs Poultry zu und ging in ihr Büro. Wie versprochen, dampfte der Espresso in einer winzigen Tasse auf dem Tisch, und der Duft des bestrichenen Bagels stieg Sara verführerisch in die Nase. Noch immer lächelnd, ließ sie sich in ihren Sessel fallen und fuhr ihren Computer hoch. Während die Technik langsam aufwachte, nippte Sara an ihrem Espresso und sah die Liste durch. Mrs Poultry hatte die fälligen Aufträge gleich mit ausgedruckt und dazugelegt. Insgesamt gab es drei; es waren keine sonderlich ausgefallenen Wünsche: Ein Kunde wollte einen Höhepunkt in seinem liebsten Broadway Theater, ein Pärchen wünschte sich Sex mit einer zweiten Frau, und ein Mann wollte seine Bi-Neigungen ausleben, ohne dass seine Frau etwas davon mitbekam.
Sara tastete nach dem Bagel und biss davon ab. Die Wünsche glichen sich so oft, und wirklich ausgefallene Sachen fehlten.
Von Petite Mort erfuhr man nur durch Mundpropaganda und Empfehlungen. Auf diese Weise hatten sie bisher vermeiden können, Anfragen zu bekommen, bei denen die bloße Vorstellung sie schon schaudern ließ. Kunden, die einen Wunsch hatten, nahmen durch eine Mailadresse auf einem externen Server auf irgendeiner Insel im Pazifischen Ozean Kontakt auf. Jeder Kunde musste angeben, durch wen er von der Agentur erfahren hatte. Meist handelte es sich dabei um Decknamen, aber sowohl Sara als auch Alan achteten darauf, dass die Namen einzigartig genug waren, dass sie die Kunden und ihre Vorlieben wiedererkannten. Einige der Stammkunden gaben mittlerweile ihre richtigen Namen an, aber sie bestritten den kleinsten Teil der Kartei.
In der Mail beschrieben die potentiellen Kunden ihre Wünsche und warteten dann auf Antwort. Alan oder Sara sichteten die Mails und entschieden, was machbar war und was nicht. Der Kunde erhielt dann den genauen Preis und die Zahlungsmodalitäten sowie eine Bankadresse – eine Hälfte des Geldes wurde vorher überwiesen, die andere Hälfte gab es in bar oder als Scheck nach Beendigung des Auftrags.
Das System war einfach, aber es funktionierte. Mittlerweile war es sogar so routiniert, dass Sara hin und wieder den Wunsch nach Abwechslung verspürte. Sie musste sich nicht sonderlich anstrengen, um die Wünsche ihrer Kunden im ganzen Land zu befriedigen. Zu ihrer Anfangszeit war es noch anders gewesen – besonders spannend war es gewesen, als eine Kundin sich eine Nacht mit einem Transexuellen wünschte. Damals war es ein Kontakt zu einem von Jareds Freunden gewesen, der Sara geholfen hatte.
Sie trank noch einen Schluck Espresso. Wieder Jared … In letzter Zeit war er oft in ihrem Kopf. Kein Wunder, während ihrer Ehe hatte sie über vieles klagen können, aber über Langeweile sicher nicht.
Abermals nippte sie an der Tasse und suchte dann die passenden Leute für die Aufträge aus. Sie rief die möglichen Kandidaten an und informierte sie über den Auftrag und die Konditionen. Die Zuteilung und auch die Anrufe waren schnell getätigt, und Sara konnte sich darauf verlassen, dass sie auch zügig umgesetzt wurden. Das Pärchen aus Boston würde noch an diesem Abend einen Anruf von einer bezaubernden
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