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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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Hinterbeinen vor einem niedrigen Tisch und hatte den langen, ledrigen Hals ausgestreckt, während sie nach einem grünen Apfel in einer Schale mit Früchten angelte und dabei hoheitsvoll die vielen Soldaten ignorierte, die nach einem Platz vor den Mauern der großen Halle suchten.
    Sie war so ruhig, dass sie nicht einmal das Handschuhpaar beachtete, das nun auf den Tisch neben der Schale geworfen wurde, und auch nicht den Mann, der an dem Tisch vorbeiging, ohne dabei langsamer zu werden. Die Schildkröte zog den Apfel auf den Boden und knabberte daran, während die Gestalt auf die Menschen zuging, die sich um das Feuer im großen Kamin versammelt hatten.
    Der Mann wirkte gewaltig in seiner Wut und seinem ausladenden Mantel aus Bärenfell.
    »Wo ist meine verdammte Verstärkung?«, brüllte General Glaub den Principari von Tume an. Seine Stimme hallte von der Kuppeldecke der Halle wider. »Wo sind die Al-Khos-Reserven?«, schrie er, als er sah, dass sich der Mann von den Flammen abwandte und ihm gegenübertrat.
    Vanichios öffnete die Augen unter der Krempe seiner blauen Samtkappe noch ein wenig weiter. Sein Gesicht zeigte nichts von der Farbe, die sich die Michinè für gewöhnlich auf die Haut schmierten.
    Der Principari nickte knapp und entließ damit die Männer, die um ihn herum standen und allesamt die graue Kleidung der Ratgeber trugen. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wartete, bis Glaub ihn erreicht hatte. Sein Diamantschmuck glitzerte im Wettstreit mit dem Glanz seiner Seidenrobe.
    Außer Atem blieb Glaub vor ihm stehen.
    Er war überrascht, als Vanichios die Hände ausstreckte und ihn auf beide Wangen küsste, als ob sie noch Freunde wären. Der Principari roch schwach nach Holunderblüten und Seife.
    »Marsalas«, sagte Vanichios mit seiner sanften Stimme und betrachtete Glaubs Zustand mit Besorgnis. »Komm, wir müssen miteinander reden.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, führte er Glaub in einen Alkoven, in dem sich keine Soldaten befanden. Hier war seine Frau Carine zusammen mit einigen Dienern gerade damit beschäftigt, Bilder und wertvolle Bücher aus den Regalen zu räumen.
    »Carine«, sagte Vanichios leise zu seiner Frau, »bitte lass das alles. Du musst dich und die Kinder zum Aufbruch bereitmachen.«
    Carine schob sich die grauen Haare aus dem Gesicht und sah Glaub starr an, als ihr Gemahl ihn vorstellte.
    »Willkommen, General«, sagte sie mit einem knappen Nicken. »Fühlt Euch hier ganz wie zu Hause. Ihr müsst sehr erschöpft sein.«
    In ihrer Stimme lag kein Groll, sondern nur Höflichkeit. Sofort bereute Glaub seine lauten Worte, und es war ihm peinlich, dass er in seiner stinkenden Uniform vor ihr stand, während sich seine Männer bereits häuslich niederließen. Er neigte den Kopf und wusste nicht, was er sagen sollte.
    In Wahrheit hatte er einen kühleren Empfang in dieser Halle des Principari erwartet, der einmal sein Freund gewesen war, als sie beide noch als junge Offiziere in den Reihen der Roten Garde gedient hatten. Seit fünfzehn Jahren hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen – nicht seit dem Tag des Duells und Glaubs Heirat mit der Frau, um die sie damals gekämpft hatten.
    Als Vanichios seine Frau bat, sich zur Abreise bereitzumachen – und als Glaub die Duellnarbe deutlich an Vanichios’ rechter Wange sah und bemerkte, wie ausgezehrt und verhärmt sein Gesicht von Schlafmangel und Sorge war –, begriff er, wie viel Wasser seitdem den Fluss herabgeströmt war. Er war wütend in das Haus eines Mannes gestapft, der ihm nichts Böses mehr wollte; er hatte das Heim einer Familie überfallen, die vom plötzlichen Herannahen des Krieges überrascht worden war. Er sah, wie die beiden Blicke austauschten, und erkannte das enge Band zwischen ihnen, als sich Carine umdrehte und ging.
    Marsalas verspürte eine starke Sehnsucht, aber nicht nach dieser Frau, sondern nach seiner eigenen.
    »Die Reserven«, sagte Glaub gelassener, als Vanichios auf einen Sessel deutete und sich in einen zweiten setzte. »Warum sind sie nicht hier?«
    »Weil sie noch einen Viertagesmarsch entfernt sind«, verkündete der Principari, als er es sich in dem Sessel bequem machte und eine Ecke seiner Robe um den Schoß wickelte. »Sie haben Al-Khos erst gestern verlassen.«
    »Was?«, rief Glaub.
    »Anscheinend hat sich Kincheko zunächst geweigert, uns seine Reserven zu überlassen.«
    Glaub packte sich an die Stirn, als ob er plötzlich Kopfschmerzen hätte. Er schwieg eine Weile und

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