Im Auftrag der Rache
sich immer tiefer ins Wasser, während sie sich mit Menschen und Habseligkeiten füllten. Unablässig blies ein Horn von der nahegelegenen Zitadelle, und Glocken läuteten in den Tempeln und verstärkten das allgemeine Gefühl der Dringlichkeit.
Noch nie in seinem ganzen Leben hatte sich Asch so müde gefühlt. Mit verschwommenem Blick beobachtete er einen Jungen, der höchstens vier oder fünf Jahre alt war und einsam auf der Straße stand, während ihm die Tränen an den geröteten Wangen herunterliefen. Er zitterte vor Angst, allein bleiben zu müssen. Asch versuchte etwas zu dem Kind zu sagen, als er daran vorbeiritt, aber sein Mund war trocken und taub, und er konnte nur mehrmals husten und zurücksehen, während die kleine Gestalt zwischen einem Soldatentrupp verschwand, der zumindest den Anschein von Ordnung aufrechtzuerhalten versuchte.
»Sie verlassen die Stadt!«, brüllte Ché ihm zu. »Sie verlassen allesamt die Stadt!«
Asch blinzelte den Mann nur an. Er atmete ein, hustete wieder in die Hand, es war ein harsches und rasselndes Geräusch.
»In Ordnung«, sagte Ché. »Du brauchst nicht so laut zu rufen. Ich kann dich hören.«
Sie schwenkten in eine Seitenstraße ein und bahnten sich einen Weg durch ein Viertel aus dunklen Holzhäusern mit vielen Mietwohnungen darin. Das Zel trottete über einen schmalen Bürgersteig, zu dessen beiden Seiten das bloße, braune Seekraut sichtbar war. Aus der Nähe wirkte diese Vegetation wie Seetang, dessen flache Wedel sich ineinander verflochten hatten, während andauernd Luftblasen zwischen ihnen aufstiegen. Viele Leute nahmen Abkürzungen über die schlüpfrigen Oberflächen und streckten dabei die Arme aus, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Sie überquerten kleine Kanäle und weitere Straßen, bis sie sich dem Westrand der Insel näherten und ein Gebiet mit besseren, dreistöckigen Häusern betraten, die allesamt auf großen, ummauerten Grundstücken standen. Die Tore waren verriegelt, die Fensterläden vorgelegt, kein Licht drang nach draußen. Hier war die Straße verlassen, doch an ihrem Ende führte ein großer Hauptverkehrsweg von Norden nach Süden. Hinter dieser Straße waren durch den Schneeregen weitere Flächen aus Seekraut zu erkennen, die wie ein öliger Strand in den Simmersee hineinragten. Ihre Oberfläche schimmerte matt im Zwielicht und erstreckte sich bis zu einer verschwommenen Uferlinie aus dunklen Bäumen.
Ché mühte sich an einem verriegelten Tor ab, während Asch die Boote betrachtete, die bereits von der Insel abgelegt hatten. Er dachte nicht darüber nach, was das bedeutete.
Der Diplomat fluchte und schüttelte die Hände, damit sie ein wenig wärmer wurden. Er warf einen Blick zurück zu Asch, als ob er ihn zu einer Bemerkung auffordern wollte. Asch schaute an dem Haus hoch, vor dem sie sich befanden, und fragte sich, ob er träumte.
Es war ein modisches khosisches Landhaus mit gutem Glas in den Fenstern und einem Dach in Form einer Glocke. Die Traufen reichten weit über die Mauern hinaus und waren an den Rändern weit umgebogen und reich verziert; Zisternen standen an allen Ecken darunter und fingen das Regenwasser auf.
Das Tor öffnete sich kreischend, und Ché führte sie auf das Grundstück. Er hielt das Zel an und näherte sich der Vordertür. Ein Windstoß schlug gegen Aschs Gesicht und machte ihn wieder ein wenig lebendiger. Er sah zu, wie Ché die Tür öffnete. Dahinter lag das dunkle Innere des Hauses.
Asch versuchte aus dem Sattel zu steigen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht richtig. Er fiel schwer zu Boden und blieb einfach keuchend dort liegen, während Ché etwas von alten, traurigen Farlandern murmelte und ihn unter den Armen packte. Dann schleppte er Asch ins Haus.
*
»Da«, sagte Halahan und schaute durch sein Fernrohr. »Auf der rechten Seite. Eine Schulter.«
Hoon blinzelte durch den Sucher seines Gewehrs. Sie standen am Ende der Brücke in Wind, Schneeregen und Dunkelheit. Eine Reihe aus hölzernen Schilden kroch langsam die Planken entlang, angetrieben von den Kommandos der Reichsoffiziere, die sich weit hinter den Soldaten befanden. Hoon richtete sein Gewehr um wenige Grade neu aus. »Ich sehe sie«, sagte er, atmete aus und betätigte den Abzug.
Ein Schuss löste sich laut aus dem Gewehr. Früher hätte dieser Lärm ausgereicht, um Halahan tagelang Ohrensausen zu verursachen, aber jetzt bemerkte er ihn kaum, denn sein Gehör hatte in der Schlacht empfindlich gelitten. Er beobachtete das
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