Im Auftrag der Rache
ließ diese Nachricht in sich einsinken.
»Dafür fordere ich seinen verdammten Kopf.«
»Ich hätte ihn gern zuerst«, erwiderte Vanichios, und Glaub erkannte, wie wütend er hinter seiner kühlen Fassade war.
Der General strich sich die Haare glatt, wobei seine Rüstung und das Leder des alten Sessels knarrten. Er sah Vanichios eindringlich an. »Wir können diese Stadt nicht halten. Nicht ohne die schweren Kanonen, die sie mitbringen sollen.«
Vanichios’ Blick war genauso fest. Er nickte beinahe unmerklich.
»Wir haben die Kanonen, die du uns geschickt hast«, sagte er.
»Diese kleinen Feldkanonen nützen uns nicht viel in der bevorstehenden Belagerung. Ich wollte bloß, dass sie den Mhanniern nicht wieder in die Hände fallen.«
Er erkannte, dass Vanichios das bereits wusste.
Verbittert stieß Glaub die Luft aus und schaute sich in der Halle um. Seine Blicke folgten dem Rauch, der hoch zur Kuppeldecke stieg, dort in kalten Brisen umhertrieb und schließlich durch geschwärzte Kamine verschwand. Dort oben wuchsen Bäume und Nachtschattengewächse mit purpurfarbenen Blättern, die in die Halle hinein hingen. Die Männer saßen oder lagen auf dem mit Schutt übersäten Boden. Andere kamen herein und brachen überall dort zusammen, wo sie ein Schlafplätzchen fanden.
»Vier Tage zu spät«, dachte Glaub laut nach und sah Vanichios nicht an. »Was hat ihn am Ende dazu bewogen, sie überhaupt loszuschicken?«
»Ich habe Kincheko mit einem Duell gedroht, falls er sie nicht aussendet.«
»Ha!«, rief Glaub. »Dann muss er eine noch schlechtere Klinge führen als du!«
Trotz all ihrer Sorgen lächelten sie. Vanichios berührte sogar die Narbe an seiner Wange und setzte eine Miene gespielter Entrüstung auf. Nun lachten sie laut und zogen dadurch die Aufmerksamkeit der Männer vor dem Alkoven auf sich.
»Es tut gut zu sehen, dass du noch halbwegs heil bist«, sagte Vanichios mit großer Wärme. »Das meine ich ehrlich. Wir haben unser Wiedersehen zu lange hinausgeschoben, und jetzt …« Er machte eine ausladende Handbewegung. »Jetzt stecken wir bis zum Hals in Schwierigkeiten und haben keine Zeit für Plaudereien.«
Glaub wischte sich eine Lachträne aus dem Gesicht. Ja, begriff er, es war gut, hier zu sein. Es tat gut, wieder zu reden.
Der Krieg mochte etwas Grässliches sein, aber er unterband auch den alltäglichen Unsinn wie nichts anderes. Glaub erinnerte sich an die Aufrichtigkeit des Mannes, der vor ihm saß, und an seine Menschlichkeit all jenen gegenüber, die weniger glücklich als er selbst waren, während Glaub nichts als Niedertracht sah. Vermutlich rührte es daher, dass Vanichios als jüngster von vier Brüdern aufgewachsen war und daher die niedrigste Stelle in der Hackordnung einer Michinè-Familie innegehabt hatte.
Vanichios hatte seinen Vater und seine Brüder überlebt und war schließlich zum Herrn über Tume geworden. Glaub wusste, dass dies das Letzte war, was er je hatte sein wollen. Aber er spielte seine Rolle gut, dachte Glaub. Sie passte zu ihm.
Vanichios beugte sich vor, damit nicht so viel Platz zwischen ihnen war. Seine Stimme klang sanft, als er sagte: »Ich habe dir mein herzliches Beileid übermitteln lassen und hoffe, dass du es rechtzeitig empfangen hast.«
»Ja«, sagte Glaub und blinzelte. »Ich habe mich sehr über deine Worte gefreut.« Er erinnerte sich jetzt daran. Nach der Beerdigung seiner Frau war ein Brief eingetroffen. In seiner schwarzen Trauer hatte er ihn nicht weiter beachtet, und irgendwie war er später verlorengegangen.
»Ich habe geweint, als ich die Nachricht von ihrem Tod erhielt«, meinte Vanichios tapfer und schaute rasch weg, als wollte er sich davon abhalten, noch mehr zu sagen. Auch er hatte Rose zutiefst geliebt.
Glaub strich über die Armlehne seines Sessels und wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. In solchen Dingen war er schrecklich unbeholfen.
Auf dem Boden unter ihm entstand eine Pfütze, denn von seinem Mantel triefte nun der getaute Schnee. Laut platschten die Tropfen in die Lache. »Sie sind uns dicht auf den Fersen, alter Freund«, verkündete er. »Wir müssen die Brücke jetzt verbrennen, bevor sie sie erstürmen können.«
Vanichios legte die Hände unter dem Kinn zu einem Dach zusammen. Wieder nickte er kaum merklich und schürzte die Lippen.
»Das sollte sie einige Tag lang aufhalten, bis sie eine neue gebaut haben. Und danach …« Glaub schüttelte den Kopf und reagierte schnell. Das war eine Gabe, auf die er
Weitere Kostenlose Bücher