Im Auftrag der Rache
Haziistab vom Tisch neben dem Sofa. »Ich habe den Befehl gegeben, dass wir übermorgen früh mit der Flotte nach Lagos aufbrechen und uns dort mit der Sechsten Armee vereinen.«
Ché verspürte ein Flattern der Erwartung in der Brust. Einen Moment lang sah er sie mit den kalten Augen eines Mörders an und hörte in Gedanken die raue Stimme eines seiner Betreuer, der ihm sagte, was er tun musste, wenn die Matriarchin während eines Feldzuges Schwächen zeigen oder der Gefahr ausgesetzt sein sollte, gefangengenommen zu werden.
»Dann werdet Ihr das Augere verpassen«, sagte er.
»Ja«, gab Sascheen zu und suchte dabei nach einem Streichholz. »All diese Stunden der Langeweile, die ich vor dem Pöbel paradieren muss.«
Geschmeidig erhob sich Ché und ging hinüber zum Feuer, während er ihren Blick auf sich spürte. Er entzündete eine der Binsen, die in einem Tontopf über dem Feuer standen, und hielt Sascheen das brennende Ende entgegen. Tatsächlich beobachtete sie ihn mit amüsiertem Interesse.
Sie legte die Finger gegen seine Hand, damit die Spitze der Binse nicht zitterte. In ihren schwarz umrandeten Augen flackerte es, als sie ihn ansah und die Lippen um den Haziistab schloss. Er spürte ein Pulsen in seinen Lenden.
Hör auf, du Narr. Du weißt, dass sie so ist. Sie benutzt ihren Zauber bei denjenigen, auf die sie sich verlassen muss .
Er setzte sich inmitten einer Wolke von Haziirauch, während Sascheen wieder zur Tür des Nebenzimmers blickte, vielleicht angezogen vom Duft bratender Butter. »Bist du hungrig?«, fragte sie ihn. »Ich hatte dich gar nicht gefragt.«
Der Gedanke, hier in dieser Kammer hoch über der Welt mit ihr zu speisen, erfüllte ihn mit plötzlichem Unbehagen. »Nein danke, ich habe bereits gegessen.«
Sascheen sah ihn noch eine Weile an. Sie senkte den Blick auf ihr nacktes Bein und schaute ihm dann wieder in die Augen. Ihre Hand auf der Sofalehne bewegte sich nicht mehr hin und her; sie schlug nur noch einmal leicht gegen das Leder. »Ich bin sicher, du hast schon gehört, dass wir Lucian endlich erwischt haben. Die Élasch haben ihn von Prinz Suneeds Hof in Ta’if entführt.«
»Ja, das habe ich gehört.«
Sie erhob sich unter dem leisen Rascheln ihrer Robe und ging über den Teppich zu einem anderen Tisch neben dem Feuer. Darauf stand eine einsame große runde Glaskaraffe, die fast bis zum Rand mit einer weißen Flüssigkeit gefüllt war. Glas knirschte gegen Glas, als sie vorsichtig den Stöpsel herauszog. Sascheen rollte sich den rechten Ärmel bis zum Ellbogen hoch, beugte sich vor und schnupperte an der Substanz.
»Königliche Milch«, sagte sie, ohne den Blick davon zu wenden. Ché blinzelte. Er hatte diese Milch noch nie mit eigenen Augen gesehen, wohl aber von ihr gehört. Es handelte sich um die Ausscheidungen einer Königscree aus dem Land des Großen Schweigens, die berühmt dafür waren, Lebenskraft zu spenden.
Der Wert eines kleinen Königreichs befand sich in dieser einen Karaffe.
Sogar von seinem Platz aus konnte er die Flüssigkeit durch den Duft der zerlassenen Butter und der Krabben riechen. Sie roch unangenehm gallig. Vorsichtig tauchte Sascheen die Hand in die weiße Flüssigkeit. Sie packte etwas und zog es heraus. Es war eine Handvoll verfilzten Haares.
Eine Kopfhaut , dachte Ché – doch dann folgte der Rest: eine Stirn, ein Paar geschlossener Augen, eine Nase, ein Mund, der zu einer Grimasse erstarrt war, ein tropfendes Kinn, ein grob durchtrennter Hals. Sie hielt den abgehackten Kopf über die Karaffe, während die weiße Flüssigkeit wie Quecksilber von ihm und von ihrer eigenen Hand tropfte.
Als die Milch abgelaufen war, erkannte Ché, dass es sich um den Kopf eines Mannes mittleren Alters handelte. Das dunkle Haar war an den Schläfen ergraut. Der Mund war breit, die Nase lang, die Wangenknochen und Brauen waren scharfkantig.
Als der letzte Tropfen abgefallen war, schwang Sascheen den Kopf über den Tisch und stellte ihn mit der Schnittstelle auf die Platte aus dunklem Tiq-Holz.
Das Gesicht zuckte vor Schmerz oder Überraschung zusammen. Ché versteifte sich auf seinem Platz und starrte das Ding vor ihm mit großen Augen an. Die Matriarchin wich von dem Kopf zurück, als dessen Augen sich öffneten und mehrfach blinzelten, damit sie klar sehen konnten. Sie waren blutunterlaufen und wirkten gequält. Weiße Milch ergoss sich aus den Mundwinkeln, als die Augen Sascheen erkannten. Sie blickten finster drein.
»Hallo, Lucian«, sagte sie zu
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