Im Auftrag der Rache
dem Ding.
Der Kopf schloss die Lippen; er schien einen Mundvoll Luft zu schlucken.
» Sascheen «, krächzte der Mann mit seltsamer, feuchter Stimme; er rülpste das Wort beinahe aus.
Chés Blicke schossen zu der Matriarchin und dann wieder zu dem Kopf. Es war tatsächlich Lucian, Sascheens einstiger berühmter Liebhaber und General und einer der Ersten aus dem Adel von Lagos, der sich den Reihen von Mhann angeschlossen hatte, als die Insel an das Reich gefallen war – bevor er sie verraten hatte, indem er die Lagos-Rebellen in ihrem Kampf um Freiheit unterstützt hatte.
Ché hatte gesehen, wie die Stücke seines gevierteilten Leichnams auf dem Platz der Freiheit aufgehängt worden waren. Danach hatten Soldaten darunter Wache gestanden und die hungrigen Krähen verjagt. Ché hatte geglaubt, dass dies das Ende des Mannes war. Doch anscheinend hatte Sascheen mit ihrem früheren Geliebten etwas anderes vorgehabt.
Die Heilige Matriarchin wandte dem Kopf den Rücken zu. Sie lächelte Ché an, und plötzlich lag etwas Schalkhaftes in ihrem Blick.
Sascheen hob die rechte Hand an den Mund und leckte einen Finger nach dem anderen ab. Ché beobachtete sie dabei und sah, wie ihr das Blut in die Wangen fuhr und die Augen sich noch weiter öffneten. Sie beendete das Lecken mit einem lauten Schmatzen.
»Auf der ganzen weiten Welt gibt es nichts Vergleichbares«, sagte sie atemlos und machte einen Schritt auf Ché zu. Sie hungerte nach etwas.
Erneut bekämpfte Ché den absurden Drang zu lachen. Es wurde nur noch schlimmer, als sie sich zu ihm herunterbeugte, und wuchs sich zu einem bedrückenden Schmerz in der Brust aus, als sie ihm die Hand auf die Wange legte und ihren Mund hart gegen den seinen drückte. Ihre Zunge teilte seine Lippen und fuhr ihm in den Mund.
Es wäre so leicht gewesen, sie hier und jetzt zu töten, dachte er, wenn das Gift noch auf seinen Lippen geklebt hätte.
Der Geschmack der Königlichen Milch glich nichts, was er je gekostet hatte. Sie war weder süß noch sauer, weder bitter noch salzig. Es stach in seiner Zunge, und sie wurde taub, während Sascheen ihn noch immer küsste.
» Hure «, ertönte die seltsame rülpsende Stimme Lucians hinter ihr.
Und dann traf der Rausch Ché wie ein Atem aus Feuer, das durch die Adern seines Körpers wogte. Es riss ihn aus seiner Müdigkeit, sein Blut geriet in Wallung, klopfte in ihm, und ein Gefühl der Schwerelosigkeit überkam ihn. Er war erfüllt von Licht, Luft und dem ersten wahren Glimmern der Lust.
Sascheen machte sich mit einem Seufzen von ihm frei und schaute unverhohlen auf seine Leistengegend. Mit einem zufriedenen Lächeln wirbelte sie davon.
Er keuchte, stand kurz davor, sich selbst vollkommen zu verlieren, und sackte gegen die Lehne des Sofas, als würde er aus großer Höhe fallen.
Zwei Pulse , dachte er verwirrt. Ich habe zwei Pulse an meinem Hals .
»Ah, Frühstück«, verkündete sie, als der alte Priester mit einem beladenen Tablett eintrat.
Ché versuchte sich zu bewegen, ließ es dann aber sein. Er klammerte sich am Sofa fest, als könnte er jeden Augenblick daraus aufsteigen und losfliegen, während die Geräusche, mit denen sich Sascheen auf ihr Essen vorbereitete, aus großer Ferne gefiltert, zu ihm drangen.
»Was ist das denn?«, fragte sie mit giftiger Stimme. »Sie sind so klein, dass ich sie kaum erkennen kann.«
»Sandkrabben sind zu dieser Jahreszeit immer klein, Matriarchin. Sie sind noch jung.«
»Was? Kann man sie nicht ein bisschen auffüttern? Und was ist das hier? Schmutzflecken überall! Ich vermute, das Küchenpersonal ist zu dieser Jahreszeit noch zu jung, um das Silber zu putzen?«
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Matriarchin. Ich bilde die neuen Ersatzkräfte noch aus. Ich kann Euch versichern, dass so etwas nie wieder vorkommen wird. Wenn Ihr wollt, lasse ich Euch sofort etwas anderes zubereiten.«
»Damit ich noch länger warten muss? Nein. Du kannst gehen.«
Ché betrachtete Lucians grimmiges Gesicht, das ihn aus wahnsinnigen Augen böse anstarrte. Dann rollte Ché den Kopf nach rechts und sah hinüber zu der alten Kira, die noch immer reglos in ihrem Sessel saß.
Nun zeigte sich in ihren Augen eindeutig ein Glimmen. Mit ihren Vogelaugen schaute sie so starr zu Ché hinüber, als ob sie durch ihn hindurchsehen könnte.
Ché schloss die Augen und schwebte.
Kapitel drei
Ohne Flügel
Hui , dachte Coya, als ein Windstoß die Gestalt erfasste, die zwischen zwei Luftschiffen hing und nun wie das
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