Im Auftrag der Rache
worden war, und wählte ein Ledersofa aus, das nahe bei der Feuerstelle stand. Er hielt sich aufrecht, faltete die Hände, atmete tief und widerstand dem Drang, sich am Hals zu kratzen. Kurz darauf verließ die Matriarchin die brennenden Kohlen und setzte sich so dicht neben ihn, dass sich ihre Knie fast berührten.
Er roch den Duft von Würzwein in ihrem Atem und begriff, dass sie betrunken war.
Das Leder des Sofas knirschte, als sie die langen Beine übereinanderschlug. Dabei glitt ihre Robe ein wenig auseinander und zeigte das sanfte Cremeweiß ihres Schenkels. Im Vergleich zu ihrer gewöhnlichen Kleidung war diese Robe schmucklos, aber sie war enger und kleiner, als sie sein müsste, so dass sich der Baumwollstoff fest um ihre Kurven schmiegte. Die Nägel ihrer nackten Füße unter dem Saum waren in lebhaftem Rot bemalt.
»Buschrali hat mir gesagt, dass sie nicht hinter mir her sein werden, weil ich ihren Lehrling umgebracht habe.«
»Die R o ¯ schun?«, wagte Ché zu fragen.
Verärgert kniff sie die Augen zusammen. Spiel nicht den Dummen vor mir .
Ché schüttelte den Kopf. »Das ist unwahrscheinlich. Der Lehrling hat kein Siegel getragen. Eine Vendetta wird nur auf Geheiß eines Siegelträgers veranstaltet.«
Sie dachte über seine Worte nach und warf einen kurzen Blick auf die schlafende Gestalt ihrer Mutter, bevor sie etwas sagte. Nun bemerkte er die roten Striemen an der Seite ihres Halses, die bis unter den Kragen ihrer Robe liefen. Sie sahen aus wie die Hitzespuren nach einer Reinigung.
»Aber es geht sie persönlich an«, sagte sie. »Es war eine öffentliche Demütigung. Die Tötung eines ihrer Jungen.«
Jetzt macht sie sich endlich Gedanken darüber , wunderte sich Ché. Lange nachdem die Tat vollbracht wurde .
»Nein, so denken sie nicht. Sie haben so etwas wie einen Kodex. Eine Vendetta ist für sie nichts anderes als natürliche Gerechtigkeit oder zumindest eine einfache Angelegenheit von Ursache und Wirkung. Aber sie verabscheuen Rache. Es würde auf jede erdenkliche Weise ihrem Glaubensbekenntnis widersprechen, aus persönlichen Gründen eine Vendetta zu beginnen.«
»Ich verstehe«, sagte sie. Ihre Stimme klang unbeteiligt, fast sogar belustigt über die Vorstellung eines solchen Prinzips. »Buschrali hat etwas Ähnliches gesagt. Aber ich wollte es auch aus deinem Munde hören – von jemandem, der unter ihnen gelebt hat und einer von ihnen war.«
In diesem Augenblick musste Ché den Blick von ihr abwenden, auch wenn er wusste, dass dies sein plötzliches Unbehagen deutlich machte. Er wäre fast aufgesprungen, als er ihre Hand auf seinem Knie spürte. Ché sah der Matri archin in die schokoladendunklen Augen und erkannte diesmal etwas anderes in ihnen: eine gewisse Sanftheit.
Sascheen lächelte.
»Guanaro!«, rief sie in den angrenzenden Raum hinein. »Ist es schon Zeit fürs Frühstück?«
Der alte wachhabende Priester trat aus dem Seitenzimmer neben der Tür. Er nickte und ging wieder nach drinnen, wo nun barsche Befehle erteilt wurden und kurz darauf das Klappern von Hackbrettern und Schranktüren zu hören war.
»Vielleicht ein paar gebutterte Sandkrabben!«, rief sie ihm nach.
Sascheen lehnte sich zurück und betrachtete das Feuer vor ihnen. Ihre Hand strich unablässig über die Lederlehne des Sofas. »Ich habe dir noch nicht gedankt«, ertönte ihre ruhige Stimme.
»Matriarchin?«
»Du hast uns einen großen Dienst erwiesen, indem du uns zur Heimat der R o ¯ schun geführt hast. Damit hast du deine Treue zu mir und zum Orden bewiesen. Deshalb habe ich dich als meinen persönlichen Diplomaten in dieser Sache angefordert.« Sie deutete mit der Hand auf die Karte. »Verstehst du das?«
Ché schüttelte den Kopf, und sie sah ihn an.
»Dieser Krieg wird das waghalsigste Unternehmen sein, das wir je begonnen haben. Sobald ich diesen Ort des Schutzes verlasse, werde ich genauso verwundbar sein wie jeder andere. Nicht nur dem Feind, sondern auch meinem eigenen Volk gegenüber. Nimm zum Beispiel General Romano. Er würde mir die Augen ausstechen, wenn er Gelegenheit dazu hätte.« Sie lächelte noch einmal – flüchtig und angespannt, wie bei einer Beichte. »Deshalb brauche ich Menschen in meiner Nähe, denen ich mein Leben anvertrauen kann und von denen ich weiß, dass sie meine Befehle ausführen werden. Sie müssen ihre Aufträge ohne Skrupel ausführen.«
»Ich verstehe«, erwiderte Ché.
Seine Antwort schien sie nicht ganz zufriedenzustellen. Sascheen nahm sich einen
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