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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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bloß ein viel kürzeres Leben. Ich sehe ihnen zu, wie sie an den Strand rollen und gleichermaßen in Schöpfung und Vernichtung zusammenschlagen. Das finde ich sehr fesselnd. Und ich sehe, dass es die Macht des Windes ist, der sie am Leben erhält. Er borgt sich das Wasser dieser Wellen, so dass er durch sie hindurchfahren kann. Ich frage mich, wie viele Laq sie vom fernen Sturm bis hierher zurückgelegt haben?«
    Asch hörte mit ganzer Aufmerksamkeit zu; sein Kater war vergessen. Das trübe Meer verlieh den Augen des Mönchs eine dunkelgrüne Färbung. Ihr Blick war nun auf Asch gerichtet.
    »Willst du das überhaupt hören? Langweile ich dich nicht?«
    Asch schüttelte den Kopf.
    Mier schaute wieder hinaus aufs Meer.
    »Weißt du, ich beobachte, wie sie an Land schlagen und zu nichts zerfallen. Es ist das Ende ihrer Reise und das Ende ihrer Existenz. Und in diesen Momenten wird mir klar, dass es dieses Ende ist, das sie zu einem vollständigen Ganzen macht. Es verleiht ihnen Bedeutung; es verleiht ihrem Leben eine Gestalt. Wie wäre es wohl, wenn sie einfach immer wieder über die Ozeane dieser Welt brausen würden, ohne jemals damit aufzuhören? Was wäre die Schöpfung ohne Vernichtung? Etwas Fades und Eintöniges und Unveränderliches. Etwas, das wirklich tot ist.«
    Mier lehnte sich zurück und atmete tief ein und aus, als würde er zu sich selbst zurückkehren. Er sah Asch noch einmal mit seinen lebhaften Augen an und schien herausfinden zu wollen, wie viel sein Gast verstanden hatte.
    Offenbar kam er zu dem Ergebnis, dass es noch nicht genug war.
    »Ich will dir etwas sagen«, meinte Mier. »Am Ende ist der Tod das Geschenk des Lebens. Ich weiß, das ist schwer hinzunehmen, wenn man diejenigen verloren hat, die man so sehr geliebt hat. Aber ohne den Tod würden wir nicht leben. Diejenigen, die du verloren hast, hätten gar nicht gelebt.«
    Asch stand auf und hockte sich vor das Feuer. Nun hielt er dem Mönch den Rücken zugewandt. Miers Worte drückten sehr feine Gefühle aus. Aber sie waren bloß Worte und Ideen. Sie vermochten sein Leid nicht zu vertreiben.
    »Ich will dir noch etwas sagen. Sieh es als vorweggenommene Gegengabe für all die Geschichten an, die du mir über Honschu erzählen wirst.
    Als ich die Inseln des Himmels besucht habe, habe ich gesehen, wie die Menschen dort leben. Hast du gewusst, dass sie fast unsterblich sind? Sie haben die Möglichkeit, ihr Leben zu verlängern und beinahe dem Tod ein Schnäppchen zu schlagen. Aber ich glaube, dass ihre Langlebigkeit ihnen am Ende großen Schaden zugefügt hat. Mir schienen sie unmenschlich zu sein. Trotz all ihrer Wunder leben sie in großer Langeweile und Teilnahmslosigkeit. Noch schlimmer ist, dass sie die Poesie in der Welt um sie herum nicht mehr wahrnehmen können, denn sie haben sich ganz in sich selbst vergraben.«
    Asch drehte sich langsam um und hob ungläubig eine Braue. »Die Inseln des Himmels?«
    »Das ist die Wahrheit.«
    »Ich dachte, nur die Handelsreisenden aus Zanzahar kennen den Weg dorthin.«
    Mier zuckte die Schultern. »Wenn du mir von Honschu erzählst, werde ich dir noch mehr meiner eigenen Geschichten zu Gehör bringen. Wie klingt das?«
    Asch machte den Mund auf und schloss ihn ruckartig wieder.
    Mier hatte nicht Recht, was das Teilen der Lasten anging. Asch fühlte sich jetzt noch schlechter als vor wenigen Minuten. Ächzend stand er auf und warf sich den Mantel um die Schultern.
    »Noch einmal vielen Dank«; sagte Asch und ging. Er wollte den Luxus eines eigenen Zimmers und eines langen heißen Bades genießen.
    *
    Als Asch am nächsten Nachmittag endlich aufgestanden und nach unten gegangen war, redeten die Stammgäste gerade über den Krieg. Er stopfte sich einige Dulceblätter in den Mund, trat an die Theke und holte sich etwas zu trinken.
    Er setzte sich mit einer halbleeren Flasche Cheemfeuer auf einen Hocker vor dem Tresen, spielte Ylang mit Samanda, der dunkelhäutigen Alhaziifrau, die er am ersten Abend hier gesehen hatte und die sich als die Frau des Wirts herausstellte. Lars, der Wirt, schien sehr vernarrt in seine junge Frau zu sein. Er beschwerte sich nur selten darüber, dass sie sich weigerte, in irgendeiner Form in der Kneipe mitzuarbeiten.
    »Ich schlafe mit dir, das ist genug Arbeit«, erwiderte sie einmal, als er eine zaghafte Kritik wagte. Sofort senkte er den Blick und schlich murmelnd davon.
    Asch kratzte sich dort, wo ihn die Flöhe gebissen hatten, und hörte dem Geplauder der Männer zu. Sie

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