Im Auftrag der Rache
Rauch, der aus einem kleinen Feuer inmitten eines Kreises aus abgerundeten Steinen aufstieg, wirkte bläulich. Asch lag auf einer Riedmatte, war mit seinem Mantel bedeckt, und sein Kopf ruhte auf einem seiner Stiefel. Er befand sich in einer Höhle, die anscheinend von Menschenhand geschaffen war. Die Wände waren mit himmelsblauem Verputz bedeckt, der allerdings feucht war und an vielen Stellen abblätterte, wohinter der nackte Fels zum Vorschein kam.
Ein Schrein, dachte Asch. Es sieht aus wie ein Schrein.
Einige Besitztümer waren an der gegenüberliegenden Wand aufgestapelt: eine hölzerne Bettelschale, ein Leinwandsack, ein knorriger Stab, ein sauber gefaltetes Laken, ein Stapel aus Pergamentblättern und einem Leinwandeinband, ein Tintenfässchen, einige Kerzen, ein großer Krug.
Asch kroch auf den Krug zu und spähte hinein.
Wasser .
Er trank die Hälfte des Inhalts in einem einzigen gewaltigen Zug und vergoss dabei etliches auf sein Hemd. Er grunzte, als das eiskalte Wasser in seinen Magen strömte und wieder hochzukommen versuchte.
Schabende Schritte ertönten hinter ihm, und er warf einen Blick über die Schulter.
»Ah, du lebst also noch.«
Jede einzelne Silbe dieser Worte trampelte durch Aschs Kopf, und er zuckte zusammen.
Der Mann war ein Mönch, wie es schien, denn er hatte einen kahlgeschorenen Kopf und trug eine schwarze Robe sowie Sandalen an den Füßen. Er war etwa vierzig Jahre alt, hatte aber die glitzernden, begeisterten Augen eines Jungen.
Der Mönch warf einen Armvoll Holz neben das Feuer. Er hob die Robe und enthüllte kräftige, weiße Beine, dann hockte er sich vor das Feuer und stocherte ein wenig mit einem Stecken darin herum.
Asch kroch zum Eingang und kniff die Augen zusammen, als das Tageslicht in sie fiel. Er befand sich hoch in den Klippen und schaute hinaus auf das graue Meer, dessen Wellen mit weißer Gischt bekrönt waren. Er schaute hinunter. Eine Leiter führte zu einem schmalen Pfad am Fuß der Klippen.
Er atmete den Meereswind ein und versuchte den Nebel aus seinem Kopf zu vertreiben.
»Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte er so ruhig, wie er konnte.
»Was? Du bist letzte Nacht hier herein getrieben worden wie ein Blatt im Wind. Ich habe mich ziemlich erschreckt, das kann ich dir sagen.«
Unter anderen Umständen hätte Asch den Humor dieses Mannes vielleicht geschätzt. Er setzte sich auf und machte sich an die schwierige und langwierige Aufgabe, die nassen Stiefel anzuziehen.
»Was ist das hier für ein Ort? Ein Schrein?« Er rang nach Luft; der zweite Stiefel wartete noch auf ihn.
»Ja«, antwortete der Mönch und schaute sich in der armseligen Höhle um. »Sehr alt, wie ich glaube. Ich habe gehört, dass hier einmal eine Bronzestatue des Großen Narren gestanden hat, und zwar genau dort, wo sich jetzt das Feuer befindet.« Der Mönch rieb sich die Hände und streckte sie den Flammen entgegen. »Die Leute, die in dieser Gegend wohnen, sagen, dass sie früher Opfergaben und auf Reispapier geschriebene Gedichte hierher gebracht haben. Und eines Tages war die Statue gestohlen. Es dauerte lange, bis sie das Geld für eine neue gespart hatten. Sie haben sie an den Boden gekettet, aber auch sie wurde von einem Dieb entwendet.«
Der Mönch kniete sich mit geradem Rücken auf den Boden und legte die rechte Hand in die linke. Das war die Stellung der Chachen-Meditation. »Als ich im letzten Winter hier eingezogen bin, habe ich die Stelle der Statue übernommen. Und nun sitze ich jeden Tag hier und warte darauf, gestohlen zu werden.«
Asch grunzte, und endlich gelang es ihm mit einer letzten Anstrengung, den anderen Stiefel anzuziehen. Erleichtert stieß er die Luft aus, aber die Stiefel waren kalt und feucht und unbequem. Er schaute hinunter auf die glitschigen Schnürriemen, die auf sehr komplizierte Weise gebunden werden mussten, und kniff die Augen angewidert zusammen. Er beschloss, dass er sich später darum kümmern würde.
»Ich heiße übrigens Mier.«
Asch hörte ihn kaum. Erinnerungen flackerten in ihm auf. Er dachte daran, wie er auf einem Felsen gesungen hatte, wie er die leere Flasche ins Meer geworfen und sich zum Schlafen zusammengerollt hatte. In der letzten Nacht war ein heftiger Schneeregen niedergegangen.
»Danke dafür, dass du mich ins Trockene gebracht hast.«
Mier nickte; in seinen Augen lag ein Lächeln. »Du bist aus Honschu, nicht wahr?«
Asch nickte ebenfalls und bemerkte, dass der Mönch den richtigen Namen seines Heimatlandes
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