Im Auftrag der Rache
darin lag. In der Sprache von Honschu bedeutete der meditative Akt des Chachen lediglich, still dazusitzen.
Er sah den Mann an und dachte nach.
»Ich habe mit einigen Freunden in dieser Stadt über deine Lage gesprochen«, gab Mier zu.
»Du hast was getan?«
»Ich kann dich nach Cheem bringen, wenn du willst.«
»Ach ja? Ich vermute, wir fliegen wie ein Blatt im Wind?«
Mier schenkte ihm sein kurzes, jungenhaftes Lächeln. »Ich habe einen Freund, dem ein Luftschiff gehört.«
Aschs Miene verriet alles.
»Nein, es stimmt wirklich«, zwitscherte Mier.
»Dann sag mir, warum du dir für einen alten Farlander wie mich so viele Umstände machst.«
»Weil wir gern mit dir gehen würden. Nach Sato.«
Aschs Hand griff nach seinem Schwert, aber sie packte ins Leere. Er hatte seine Waffe im Zimmer gelassen.
»Wer bist du?«, fragte er kühl. »Woher weißt du von Sato?«
Der Mann zuckte die Achseln und streckte die Hände in einer Geste der Offenheit aus. »Ich bin der, der zu sein ich behauptet habe. Und ein wenig mehr. Alles, was du hier und jetzt wissen musst, ist, dass ich dir ein Freund bin, Asch. Und dass ich gewisse andere Freunde habe. Es sind Leute, die sich sehr wünschen, mit dem Orden der R o ¯ schun zu sprechen.«
»Es gibt keinen R o ¯ schun-Orden mehr.«
»Warum nicht? Weil die Reichstruppen ihn angegriffen haben? Ja, wir haben bereits mit mehreren eurer Agenten in den Freien Häfen gesprochen. Sie alle haben dasselbe gesagt wie du. Aber es könnte noch weitere Überlebende auf Cheem geben. Und wenn es welche gibt, dann möchten wir ihnen ein Angebot machen.«
Asch stand aufrecht da, auch wenn er sich nicht erinnern konnte, dass er sich erhoben hatte.
»Gehörst du zu den Widerständlern – den sogenannten Wenigen?«
Ein bescheidenes Nicken war die Antwort.
»Vertraue mir. Wir möchten nur mit deinesgleichen reden. Und im Gegenzug helfe ich dir gern dafür.«
»Mir helfen? Womit?«
Mier machte einen Schritt nach vorn und legte ihm die Hand auf die Schulter. Er sah Asch tief in die Augen.
»Mit deinem Verlust fertigzuwerden, mein Freund.«
Kapitel sechsundvierzig
Der Bunker
Tief unter dem Tempel des Flüsterns trat Kira, die Mutter von Sascheen, aus einem Aufzug in einen unterirdischen Gang, der von Gaslampen erhellt wurde, und sie sah, dass alle Kutschen bis auf eine bereits abgefahren waren.
Sie setzte sich in die verbliebene, deren Räder auf Schienen liefen. Der Fahrer vermied es eifrig, sie anzusehen, und die beiden Zele schnaubten ungeduldig. Sie zog fest an der kleinen Glocke, und der Fahrer, ein Sklave, dessen Haut vom Mangel an Sonnenlicht teigig weiß geworden war, ließ die Peitsche über die Zele fliegen. Die Fahrt begann.
Tief in ihrem Herzen brannte ein böses Feuer. Während die kahlen Betonwände an ihr vorbeiflogen und sich Phasen grellen Lichts immer wieder mit solchen der Dunkelheit abwechselten, schürte sie dieses Feuer mit Erinnerungen an ihre Tochter und ihren Enkel, den jungen Kirkus. Beide waren nun tot.
Es war Kira gewesen, die in ihrer Eigenschaft als Betreuerin der Sektion dem Diplomaten Ché den Auftrag gegeben hatte, sich um Sascheen zu kümmern, falls sie in Gefangenschaft geraten oder vom Schlachtfeld fliehen sollte. Dieser Befehl hatte gegeben werden müssen; so war es immer, wenn ein Patriarch oder eine Matriarchin in den Krieg zog, und sie hatte es sich nicht nehmen lassen, ihn persönlich zu erteilen.
Und nun war er ausgeführt worden. Ihre Tochter war an der vergifteten Kugel eines Diplomaten gestorben.
O Sascheen , dachte sie und konnte es nicht verhindern, dass ein Gefühl des Verlustes ihren zerbrechlichen Körper durchschüttelte.
Ihre eigene Blutlinie würde mit ihrem Tod enden. Andere aus der Familie Dubois, ihre Halbschwester Velma und deren Brut, würden das Ruder übernehmen.
Ihre Gedanken kehrten zu dem Diplomaten zurück, der ihrer Tochter in den Hals geschossen hatte und der noch auf Khos weilte. Es war Ché, der junge Mann, der bei den R o ¯ schun gewesen war. Er war desertiert, wenn der vage Bericht der Zwillinge stimmte.
Kira fragte sich, wie sie ihn am nachhaltigsten vernichten konnte.
Die Kutsche schien stundenlang über die endlosen Schienen zu ruckeln, immer tiefer nach unten, einem unveränderlichen Fluchtpunkt entgegen. Nun hatte sie Zeit, um über etliches nachzudenken, ihre Gefühle allmählich zu betäuben und sich belanglosen Gedanken zu ergeben.
Sie zuckte zusammen, als die Kutsche anhielt, und erkannte, dass sie
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