Im Auftrag der Väter
ihn nicht. Kein Kollege.«
»Was du da tust, ist wirklich Quatsch, Anne.«
»Na ja. Ist eben so gekommen. Und wie geht es dir?«
Louise seufzte.
Allmählich ging es ihr besser. Die Erinnerungen ließen in ihrer Intensität und Häufigkeit nicht nach. Aber sie lernte zu akzeptieren.
Und da war ein neuer Gedanke, ein merkwürdiger Gedanke, der sie mit neuem Leben zu erfüllen begann.
»Urlaub?«, sagte Richard Landen.
»Ja.«
»Im Dezember.«
»Ja.«
»Na, warum nicht. Und wohin?«
»Aber allein, Richard.«
»Allein.«
Sie nickte.
Sie saßen in der maisgelb gestrichenen Küche. Die schwarze Porzellankatze auf dem Fensterbrett, deren unnachgiebiger Blick sie früher so irritiert hatte, war fort. Tommo hatte sie mitgenommen. Ein Erbstück, hatte Richard Landen erklärt. Die Weisheit von Tommos Vorfahren hatte sich in dieser Katze gesammelt.
Nun konnte sie in Ruhe ein wenig dumm sein, ohne sich unwohl zu fühlen.
»Also allein«, sagte Richard Landen.
»Ja.«
Sie musterte ihn, sah, wie schwer es ihm fiel, das zu verdauen. Die Stirn war gerunzelt, die Augenbrauen waren gesenkt. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sich die kleine Stelle grauer Härchen in der rechten Braue verbreitert hatte. In diesen grauen Fleck hatte sie sich im Januar 2003 verliebt.
Sie dachte, dass kaum ein Mensch so zu dieser Phase ihres Lebens gehörte wie Richard Landen, obwohl sie ihn erst seit knapp zwei Jahren kannte. In sein Haus waren die Dramen dieser zwei Jahre eingeschrieben. In der Küche hatte sie mit Niksch gesessen, einen Tag, bevor er erschossen worden war. Draußen an dem Holztischchen hatte sie Richard
Landen zum ersten Mal geküsst, wenige Stunden, bevor die Jagd auf den falschen Marcel eröffnet worden war.
Sie hatte ihn geliebt, dann hatte die Liebe aufgehört. Es passte nicht. Von Lončar beim Abendessen erzählen? Von Carola?
Auch jetzt hatte sie nur das Nötigste erzählt. Ein schlimmer Fall. Zwei Menschen ermordet, die ich gemocht hab.
Nein, es passte nicht. Richard Landen wäre in ihren Abgründen untergegangen. Oder hätte sie allein hinuntersteigen lassen.
Sie brauchte einen Mann, der sich fallen ließ wie sie. Vielleicht jedes Mal ein wenig mehr Zeit benötigte, um ins Leben zurückzukehren. Der es vielleicht irgendwann einmal nicht mehr schaffte und das schon jetzt wusste.
»Und wohin?«, fragte Richard Landen.
Sie zuckte die Achseln. Er hätte es nicht verstanden. Niemand hätte es verstanden.
Nur einer würde es verstehen.
»Um Himmels willen, Louise«, sagte Thomas Ilic.
»Ich brauche Urlaub. Entspannung.«
»In Slawonien.«
»Hast du nicht gesagt, dass es da schön ist? Ruhig, ländlich, gemütlich? Genau so was brauch ich jetzt.«
»Verarsch mich nicht.«
»Entschuldige.«
Sie schwiegen. Ende November, die Zeit für den Aufbruch in das neue Leben war gekommen. Sie musste weg von Richard Landen, der zu leiden begonnen hatte, auch wenn er versuchte, es zu verbergen. Sein Blick war jetzt oft abwesend, eigentümlich fern. Sie glaubte, dass er begonnen hatte zu hoffen.
Sich eine Zukunft vorzustellen. Er und sie.
Aber Richard Landen war natürlich nicht der eigentliche Grund.
Sie musste nach Slawonien. Nach Bosnien.
Urlaub auf dem Balkan.
»Warum?«, fragte Thomas Ilic.
Weil sie Lončar zu Carola geführt hatte. Weil sie Carolas Hand nicht loslassen konnte.
Sie sagte es nicht. Das hätte auch Thomas Ilic nicht verstanden.
Andererseits war sie sicher, dass er es ahnte. Er wusste, was in Au geschehen war.
»Was wirst du tun, wenn du ihn findest?«
»Weiß ich nicht. Aber mach dir keine Sorgen.«
»Ich
mache
mir Sorgen. Ich kenne dich.«
Sie lachte.
»Und was willst du von mir?«
Sie brauchte eine Kontaktperson. Jemanden, der durch Slawonien mitfuhr, übersetzte. Irgendjemanden. Auf keinen Fall natürlich ein kroatischer Kollege. Ein Dolmetscher, ein Student, egal. Jemand, der ein paar Tage Zeit hatte, sich in Slawonien auskannte, möglichst keine Fragen stellte. Der mit ihr nach Bosnien in die Republika Srpska fuhr.
»Okay«, sagte Thomas Ilic. »Ich überleg mal.«
Sie nannte die Stationen: Osijek, Valpovo, Poreč in Kroatien. Štrpci in Bosnien. Reihenfolge beliebig.
Thomas Ilic schwieg. Sie wusste, dass sie viel von ihm verlangte. Niemand aus ihrer Dienststelle durfte etwas erfahren. Kripohauptkommissarin reiste inoffiziell in einen Nicht- EU -Staat zur Verbrechersuche. Ohne von den dortigen Behörden eingeladen worden zu sein. Ohne sie überhaupt
informiert zu haben. Was
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