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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Hoffmann, in dessen Büro noch Licht war, doch er war
nicht da. Als sie die Unterlagen und Paul Niemanns Digitalkamera auf seinen Schreibtisch legte, fiel ihr auf, dass auch sein Hightechstuhl nicht da war. Da grunzte und schnarchte es aus einem Winkel des Raumes – inmitten von Yuccapalmen, Farnen und sonstigen Wedeln saß Alfons Hoffmann auf seinem Stuhl und schlief, als wäre er im Schlaf quer durch den Raum ins Gebüsch gerollt. Superstuhl entführt Hauptkommissar ... Sie lachte leise, Alfons Hoffmann erwachte. Aus dem grünen Dickicht heraus starrte er sie an. »Lass die Scherze, ich bin ein alter Mann.«
    »Ein alter Mann im Rollstuhl.«
    Gähnend stand er auf, befreite sich und den Stuhl aus dem Grünzeug. Am Schreibtisch setzte er sich wieder. »Ich hätte runterfallen können, Louise.«
    »Ich war’s nicht, ich war bis eben in meinem Büro.«
    »Dann war’s Rolf.«
    »Rolf ist längst fort.«
    »Aber wer war’s dann?«
    »Der Stuhl war’s.«
    »Der Stuhl?«
    »Hat das Ding keine Feststellbremse? Wie bei einem Kinderwagen, du weißt schon, wo die Mami drauftreten kann, wenn sie Straßenbahn fahren, die Mami und ihr kleiner Liebling.«
    Sie grinste. Alfons Hoffmann brummte.
    »Dass das Ding von allein fährt, stand nicht im Handbuch.«
    »Für den Stuhl gibt es ein ganzes Handbuch?«
    »Gesundheit ist komplex und braucht Erklärung, Louise.«
    »Und wenn du runtergefallen wärst?«
    »Dann«, sagte Alfons Hoffmann lächelnd, »hätte mich der Stuhl aufgefangen.«
     
    Sie gingen zusammen hinunter, vom dritten Stock ins Erdgeschoss, was mit Alfons Hoffmann immer eine Weile dauerte, doch Aufzug nach Feierabend war nicht, abends war Bewegung. Abends war »das andere Leben«. Alfons Hoffmann hatte einen entwurzelten niederbayerischen Drachen geheiratet, und der Drachen ging Punkt neun Uhr dreißig schlafen. So blieb Alfons Hoffmann abends lange im Büro, machte ausgedehnte Spaziergänge am Dreisam-Ufer, setzte sich an die Fitnessmaschinen in der Akademie, lebte »das andere Leben«, das ohne den Drachen, und stellte sich vor, er hätte nie geheiratet, zumindest nicht ein Wesen, das nur an Weihnachten gute Laune hatte.
    »Die Lahrer haben angerufen«, sagte Alfons Hoffmann im zweiten Stock. »Wollten wissen, was sie mit dem Obdachlosen machen sollen. Ich hab gesagt, sie sollen ihn bis morgen behalten, wir kommen morgen rauf, heute ging es nicht.«
    »Morgen früh, gleich nach der Besprechung.«
    »Das Grundbuchamt hat zurückgerufen«, sagte Alfons Hoffmann im ersten Stock. »Das Land gehörte einem Bauern aus Au, der hat vor acht Jahren an den Bauträger verkauft. Ein alter Kauz, hat sich nie was zuschulden kommen lassen, aber man weiß ja nie.«
    »Den sollen sich die Schwenninger ansehen.«
    »Bob war da«, sagte Alfons Hoffmann im Erdgeschoss. »Wollte wissen, wie’s aussieht. Ich hab gesagt, es sieht noch nicht so gut aus.«
    »Jetzt sieht’s besser aus.« Sie erzählte von Paul Niemanns Fotos.
    »Also, wenn wir ihn jetzt nicht kriegen«, sagte Alfons Hoffmann. »Ich meine, mit Foto, wo soll sich der Kerl jetzt noch verkriechen?«
    Sie betraten den Hof.
    »Es sei denn, er ist ganz woanders abgetaucht«, sagte Alfons Hoffmann.
    Louise sagte nichts. Plötzlich war das Wort, das sie gesucht hatte, da – untertauchen. Es war nicht ausgesprochen worden, sie hatte es lediglich gedacht, er war, hatte sie gedacht, nicht nur das Wegrennen gewöhnt, sondern auch das Untertauchen.
    »Besorg morgen für Mats einen Plan der Kanalisation von Merzhausen«, sagte sie.
    »Du meine Güte ...«
    Sie nickte. Vielleicht hatte der alte Krieger einen halben Tag lang unter ihnen gehockt.
    Hatte gewartet, bis wieder Ruhe herrschte in Merzhausen.
     
    Um zwölf stand sie im Erdgeschoss ihres Hauses und starrte hinauf zu den Sternen. Keine Treppen mehr, kein Aufzug mehr, nur ein Schacht in den Himmel.
    Im Briefkasten lag wie abgemacht der neue Schlüssel.
    Sie stieg ein Metalltreppenhaus im Hof hinauf, betrat einen Metallsteg, stand vor einer Metalltür. Zu ihren Füßen lag die Schuhmatte, ein bisschen schief, fand sie und schob sie gerade, dann schob sie sie wieder schief, das wär ja noch schöner, wegen einer Metalltür neurotisch werden, du bist doch jetzt
gelassen.
Sie schlüpfte aus den Schuhen, steckte den Schlüssel ins Schloss, immerhin, die Tür quietschte nicht, das war ja schon mal was.
    Sie tastete sich zum Lichtschalter, ließ den Anrufbeantworter laufen. Ein Anruf von Richard Landen aus Japan, ein Anruf vom

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