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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Wohlstand, vor allem mit dem Weißen Gold Hanf, mit Weizen, Mais, der Viehzucht, der Bereitschaft, neue Maschinen und Erfindungen zu übernehmen, mit harter Arbeit, die so gut wie kein Vergnügen zuließ. Konservative, gottesfürchtige, fleißige Menschen, las sie, erst hatten die österreichisch-ungarischen Kaiser Katholiken geholt, später auch Protestanten. Menschen, die mehr für sich lebten als mit anderen und inmitten der im 19 . Jahrhundert aufkommenden Nationalismen brav und harmlos ihr Deutschtum pflegten. Ganze Dörfer in den späteren Nationalstaaten Ungarn, Rumänien, Jugoslawien
waren damals deutsch, andere zu größeren oder kleineren Teilen, Deutsche hier und dort und überall, der fleißige, brave deutsche Bauer und die fleißige, genügsame deutsche Bäuerin, pflegten die deutschen Tugenden und Bräuche und taten niemandem etwas zuleide ...
    Sie legte den Text zur Seite, das war ihr nun ein bisschen viel deutsch und Deutschtum und Unschuld für den Moment und ein bisschen viel Rausch. Sie stand auf, trank Wasser, das half immer, manchmal auch gegen zu viel Deutschtum.
    Jenny Böhm lag jetzt auf dem Rücken und schnarchte.
    Zurück auf dem Sofa las sie weiter, überflog das Rauschhafte, das nach dem Ersten Weltkrieg ins Wehleidige umschlug, dann ins Arrogante, Empörte, Rechtfertigende. Daten und Ereignisse nahm sie nicht mehr wahr, der unerträgliche Ton überlagerte alles. Sie versuchte es mit einem anderen Text, der sachlicher berichtete, alles wieder von vorn, die Schwabenzüge, die Siedlungsgebiete, die sie sich nun genauer ansah. Valpovo war nicht darunter, dafür Slawonien, das Land zwischen Save und Drau, und andere Regionen, die sie anhand der abgebildeten Landkarten endlich zuordnen konnte: die Schwäbische Türkei südlich des Plattensees, die Baranja zu beiden Seiten der Grenze Ungarn /Kroatien, die Batschka und das Banat im Dreiländereck Ungarn, Serbien, Rumänien, die Wojwodina in Serbien, Siebenbürgen in Zentralrumänien und andere, Bukowina, Bessarabien, Dobrudscha immer weiter im Osten.
    Auch auf den Karten fand sie Valpovo nicht, dafür immer wieder Essegg an der Drau, wenige Kilometer von der Donaumündung entfernt. Sie schleppte ihren mächtigen Weltatlas vom Regal zum Sofa, das einzige Geschenk des
echten Marcel, das sie akzeptiert hatte – weil unten auf dem Seitenschnitt »Mängelexemplar« draufgestempelt war und weil Marcel den schönen Satz gesagt hatte, die Welt sei eben groß und schwer und passe nicht in ein handlicheres Format.
    Entsprechend umfangreich war das Inhaltsverzeichnis – bis man in der Welt fand, was man suchte, dauerte es, vor allem nachts um halb fünf.
    Dann lag ihr Finger über »Slawonien« zwischen »Valpovo« und, östlich davon, »Osijek«, die kaum mehr als dreißig Kilometer voneinander entfernt waren, und Osijek lag genau dort, wo auf den alten Karten in den fotokopierten Buchauszügen Essegg lag, an der Drau, kurz vor der Donaumündung.
    Also
war
Osijek Essegg, oder Essegg war Osijek, wie auch immer, das, dachte sie, sollten die Ideologen und die Historiker unter sich ausmachen.
    Sie las weiter, betrachtete Fotos von schachbrettartig angeordneten Dörfern mit breiten Hauptstraßen, von Häusern, die mit der schmalen Seite zur Straße standen, mit Laubengängen, eisernen Toren, von Stadthäusern in beinahe vertrauter, irgendwie österreichischer Architektur, von kleinen und doch beeindruckend schönen Kirchen, von Menschen bei der Ernte und immer wieder von zumeist runden Gesichtern, Kinder, Frauen, Männer, mal lächelnd oder streng, mal schüchtern oder fröhlich, die Frauen mit Kopftüchern und in unterschiedlichen Trachten, die Männer mit Schnurrbart in Anzug oder Arbeitskleidung, auch sie hatten, dachte sie, etwas Kaiserlich-Österreichisches an sich, vor allem die Gutgekleideten in ihrer Steifheit, Strenge, Kälte, und alle wirkten fremd auf sie.
    Keine Fotos aus Valpovo oder Walpach, dafür aus Osijek
oder Essegg, wo 1792 offenbar württembergische Emigranten den Ortsteil Neustadt, Novi grad, gegründet hatten, und Fotos aus anderen Städten und Dörfern mit zum Teil deutschen Namen: Kerndia, Semlin, Franztal, India, Peterwardein, Ruma, Josefsfeld, Ernestinenhof.
    Dann plötzlich änderten die Fotos ihren Charakter, zeigten uniformierte Donauschwaben bei kroatischen Politikern, eine Kundgebung der »Deutschen Volksgruppe in Essegg« vom Juni 1941 vor einem Hakenkreuztransparent, deutsche Soldaten, deutsche Panzer, dann

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