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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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wirklich fragen, aber es ging nicht.«
    »Schon gut.«
    Während Louise sie mehr streichelte als abtrocknete, erzählte
Jenny Böhm. Sie hatte am Montag, nachdem Louise gegangen war, getrunken, hatte sich in der Nacht im Regen auf dem Friedhof versteckt, bei den Toten, die Frieden und Erbarmen schenkten, hatte am Dienstag getrunken, mit ihrem Mann und den Kindern und den Pfarramtssekretärinnen gestritten, war abends zum Treffen der AA und nachts wieder auf den Friedhof gegangen, wo ihr mit einem Mal bewusst geworden war, dass sie die Ruhe und den Frieden der Toten störte, die doch ein Anrecht hatten auf Ruhe und Frieden, und sie, sie zerstörte die Ruhe und das Schweigen und den Frieden ...
    »Quatsch«, sagte Louise.
    Jenny Böhm lachte und schmiegte sich mit dem Rücken an sie und sagte, sie liebe dieses Wort, das Louise-Wort, mit dieser ganz besonderen Färbung des »a«, das heller sei und ungeduldiger, als wenn andere das Wort aussprächen, und wenn Louise »Quatsch« sage, dann wisse man, das sei wirklich Quatsch, was auch immer.
    »Es
ist
auch Quatsch.«
    Jenny Böhm zuckte nur die Achseln, lehnte den Kopf an ihre Wange, kroch rücklings in ihre Arme hinein, ließ sich, nackt und nass, wie sie war, umarmen, Mutter und Kind im Spiegel, eher zwei traurige Frauen jetzt, dachte Louise, deren linker Arm zwischen Jenny Böhms Brüsten lag, warme Haut auf kalter Haut, und irgendwo, kaum wahrnehmbar, das schnelle Pochen ihres Herzens.
    »Aber heute hab ich weniger getrunken.«
    »Gut.«
    Jenny Böhm nickte. »Ein gutes Zeichen, oder?«
    »Ja.«
    »Aber jetzt hab ich Lust zu trinken.«
    »Ich weiß.«
    »Große Lust.«
    »Du brauchst nur rauszugehen zu deiner Flasche.«
    »Du würdest mich nicht mehr reinlassen.«
    »Allerdings.«
    »Die strenge Louise. Die starke, strenge, selbstgerechte Louise.« Jenny Böhm lächelte zufrieden, drängte sich noch dichter an Louise, als wollte sie in sie hineinkriechen, in ihre Stärke und Strenge kriechen. Sie schloss die Augen, und Louise musterte sie im Spiegel, Jenny Böhm, Ende dreißig, so zart und schön, lange blonde Haare, sinnliche Brauenbögen, die Augen, wenn sie geöffnet waren, groß und strahlend, jetzt lag ein wenig Müdigkeit in diesem feinen, für immer jungen Gesicht. Daneben sie, die dunklen Haare hochgebunden und längst auseinanderfallend, dunkle Landschaften unter den Augen, mit Krähenfüßen, die sie ja noch gar nicht kannte, ein vollkommen erschöpftes, überfordertes Gesicht, wer sah da krank aus, wer sah aus wie eine Säuferin ...
    Sie hatte doch keine Kraft und keine Zeit für so was. Für Krisen in der Nacht, für ein konfuses Privatleben.
    Für Menschen wie Jenny Böhm.
    Sie schüttelte den Kopf vor Abscheu über sich selbst.
    Jenny Böhm öffnete die Augen. »Sie sind zu groß, oder?«
    »Was?«
    »Meine Brüste.«
    »Aber nein.«
    »Eine Pfarrerin sollte kleinere haben.«
    »Quatsch.«
    Jenny Böhm kicherte. »Alle schauen auf meine Brüste. Alle Männer.«
    Louise schwieg. Auch Mick hatte, wenn sie sich richtig erinnerte, auf Jenny Böhms Brüste geschaut, damals, vor
Jahren, während der Taufe in dem kleinen roten Kirchlein. Hübsche Pfarrerin, hatte er gemurmelt, und
Möpse
hat die.
    Aber vielleicht hatte sie sich auch nur angewöhnt, Mick all die dummen Sätze in den Mund zu legen, die Männer manchmal sagten.
    »Und dann stelle ich mir vor, dass sie mich ausziehen«, sagte Jenny Böhm. »Und bin traurig, dass sie es nicht tun.«
    »Und dann schämst du dich.«
    »Und dann trinke ich.«
    »Das ist zu einfach, Jenny.«
    »Ich möchte, dass sie mich ficken, und deshalb trinke ich.«
    »Viel zu einfach.«
    »Seit ich Pfarrerin bin, möchte ich, dass sie mich ficken. Vorn, hinten, überall. Hinten rein, Louise.« Jenny Böhms Stimme war leise und rau geworden, ihre Wangen hatten sich gerötet. Louise sah sich im Spiegel die Achseln zucken. Ihr Blick begegnete dem von Jenny Böhm. Darum war es auch schon in Oberberg gegangen, Jenny Böhm und ihre Phantasien. Jenny Böhm, die pausenlos an Sex dachte und trank, weil sie sich dafür schämte und weil sie, wenn sie betrunken war, nicht mehr an Sex dachte.
    Aber das war als Erklärung zu einfach.
    Die Frage war doch, weshalb Jenny Böhm Pfarrerin geworden war. Das war doch das Problem. Nicht der Sex.
    Mit dem Sex wollte sie das Problem vielleicht nur lösen.
     
    Dann schlief Jenny Böhm ein, von einem Moment auf den anderen, im Bad, nackt und erhitzt in ihren Armen. Sie weckte sie, zog sie ins

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