Im Auftrag des Tigers
unmöglich. Drüben gab es wieder Wald, Fährten, Hirsche, Affen, vielleicht sogar ein Wildschwein …
Sie waren im Wasser.
Der Kleine platschte hilflos und aufgeregt mit den tapsigen Pranken, dazu hörte sie sein Prusten, ein ersticktes Piepen … Sie drückte sich enger an ihn, schwamm ganz langsam. Mehr konnte sie nicht tun. Er mußte durch.
Auf der anderen Flußseite fand sie unter dem Wurzelwerk eines gewaltigen, umgestürzten Ilipe -Baums eine Art Höhle und schob den Kleinen hinein. Hier war es dunkel. Er fühlte sich besser. Dreimal hatte er sich am Strand übergeben. Sein Bruder hockte neben ihm auf seinen Keulen und starrte ihn an. Manchmal stupste er die Schnauze ins klatschnasse Fell. Der Kleine stand noch immer nicht auf.
Aber sie hatten es geschafft. Die Tigerin bezog oberhalb des Verstecks hinter einer Bambus-Insel Stellung. Der Sand war warm. Ihre Augen durchdrangen mühelos die Dunkelheit. Für sie existierte eine andere Welt: eine Welt aus Pflanzen und Beutetieren, aus Dingen, die wichtig zum Weiterleben waren.
Darüber mußte sie sich Kenntnis verschaffen.
Nun schrien die Affen. Sie schrien vom anderen Ufer. Auch Schweine mußte es hier geben. Sie würden herüberkommen. Irgendwann.
Sie spürte die Schwäche in ihrem Körper. Ihre rechte Pranke tastete über den Sand, schob ihn hin und her, wartete auf die Berührung mit einer Muschel, einem Krebs, einer Schnecke, etwas Eßbarem. Nichts …
Sie wartete weiter …
Wieder zog Van Koonen die Reißleine. Fünf Umdrehungen, – einmal › plaff ‹ … und das war's.
Das Boot trieb. Das Scheißding von Motor wollte nicht anspringen.
Ein schwerer Ast stieß so hart gegen den Bug, daß es › plong ‹ machte und Van Koonen erschrocken zusammenfuhr.
Er überlegte, ob er den Staken nehmen sollte. Der Huren-Evinrude ! Er hatte ihm von Anfang an mißtraut. Doch da war Hank gewesen, dieser Matschkopf von amerikanischem Material-Verwalter. Hank hatte behauptet, das Boot sei einsame Spitze, tadellos in Schwung, … »jawohl drei Stunden bin ich gestern damit rumgegondelt, ohne Probleme, ohne Störung, aber sicher, Junge … Wieso also Ersatzmotor?« … und auch dieser taiwanesische Schlitzaugen-Manager aus der United-Verwaltung, der seiner neuen Freundin ein bißchen den Regenwald zeigen wollte, sei richtig begeistert von dem Boot gewesen …
Begeistert waren sie alle. Nur, daß keiner in den letzten Wochen die Haube aufgemacht und einen Blick darunter geworfen hatte … Und dann schickten sie ihn los, den beschissenen Fluß entlang, rauf in diesen Malaien-Kampong, dessen Namen man sich nicht merken konnte, zeigten ihm das Nest bloß so mal auf der Karte: »Vier Stunden, Will. Mensch, ist doch gar nichts.«
Nein, überhaupt nichts.
Und in dem Kampong mit dem Zungenbrecher-Namen wartete irgendein Holz- Prospector , ein furchtbar wichtiges United-Tier darauf, abgeholt zu werden. »Muß per Boot geschehen. Der Hubschrauber ist am Arsch. Weißt du ja … Vier Stunden, Will. Holländer sind doch Seemänner, oder?«
Holländer? Ja. Auch … Aber wie konnte er so bescheuert sein, sich von Taiwanesen anheuern zu lassen? Von diesen Holz-Gangster, die sich auch noch ›United‹ nannten.
Drei Stunden ging's gut. Dreieinhalb sogar. Dann fing der Evinrude an zu stottern.
Als Van Koonen versuchte, die Zündkerzen rauszunehmen, um sie zu reinigen, mußte es passiert sein: Er trieb in einen Nebenarm … Der Fluß wurde komisch, klein, schmal und eng wurde er. Mangroven überall, konnte nicht mehr der Kualapattani sein, unmöglich …
Und jetzt, jetzt hatte ihn das Wasser in der Ecke. Jetzt hatte es ihn gleich endgültig am Boden … Schon wischten Äste über die Windschutzscheibe. Van Koonen mußte sich abducken. Im Boot übernachten? Hier? Wo sonst … Wurde schon dunkel, ging so doch nicht weiter …
Er wollte sich an einem Ast festhalten.
Doch die Zweige rissen.
Dann gab es ein weiches, schmatzendes Geräusch. Das Boot war aufgelaufen.
Aus dem Wald schrie, pfiff und keckerte, flüsterte, wisperte es, er kannte die Geräusche. Aber diesmal wurde ihm richtig unheimlich.
Jedenfalls: Das Boot saß an einem Baum fest, die Wurzel dort schien stabil genug, um es mit der Leine daran anzubinden.
»Bist doch Holländer, Will. Gönn dir ein gutes Bier.«
Sie hatten ihm Heineken eingepackt. Er riß die erste Dosenlasche auf, nahm einen Schluck, drehte den Kopf und blickte zum anderen Ufer hinüber.
Weit war das nicht. Sechs Meter vielleicht. Heller war's
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