Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Lappen … Um die Batterie für den Scheinwerfer zu schonen, hatte er gleich nach dem Ausfall des Motors die Kühlbox auf ›off‹ gestellt, schließlich mußte er notfalls sehen können.
    Wieder Plätschern. Dies konnte kein Fisch sein, es war ein schäumendes, lautes Geräusch, das ihm die Nackenhaare hochstellte. Gab es hier Krokodile? Was gab es hier überhaupt? Nicht daran denken …
    Er zwang sich zu kauen und zu schlucken. Er trank die Hälfte der Heineken-Büchse und stellte den Rest auf den Instrumentenbord. Dann lehnte er sich im Sitz zurück und sah nach oben. Kein Himmel. Nur Scheiß-Dunkelheit.
    Die winzige Flamme des Windlichts schien Van Koonen das einzige Licht auf dieser Welt zu sein …
    Sie war weiter oben zu den Mangroven zurückgeschwommen und fand einen verfaulten Stamm. Der Stamm lag in Sprungweite zu dem Licht. Nun würde es einfach sein. Der Hunger überschattete jetzt alle Überlegungen, die zur Vorbereitung des Fangschlags gehörten. Und da war auch Wut, die Wut auf die eigene Schwäche, die Sehnsucht, es hinter sich zu bringen, so rasch als möglich, sofort, jetzt, ja!
    Sie sprang …
    Van Koonen sah noch den Schatten. Einen riesengroßen Schatten, gigantisch wie die Flügel eines gewaltigen Nachtvogels. Es blieb ihm nicht die Zeit zu denken. Nicht einmal die Zeit für Angst. Das Adrenalin reagierte und sandte eine Hitzewoge durch seinen Körper, die sich bis in die Fingerspitzen verströmte. Er schrie.
    Koonen schrie wieder, schrie, als das Boot seitwärts kippte, schrie, als ihm ein Schwall, eine ganze Fontäne brackigen Flußwassers ins Gesicht schlug und über seinen Körper floß, schrie und schrie, brüllte Flüche, mischte Entsetzen, Zorn und Lebensangst mit dem Flehen: Oh Gott! Gott, hilf doch … Das Boot richtete sich wieder auf, und er nahm den scharfen stechenden Raubtiergeruch wahr und das Geräusch, dieses schreckliche Fauchen, das ihm sagte, welche Gefahr da aus der Luft kam, ein grollendes, ein schreckliches Geräusch, das ihm den Verstand zu rauben drohte …
    Lieber Himmel! Etwas warmes rann über seine Schenkel … Er hatte in die Hose gepinkelt. Aber er hatte auch die verdammte Scheinwerfer-Halterung gefunden, drückte auf den Knopf, riß den Focus herum, um zu sehen, was kaum zu verkraften war: ein Dämonenschädel, ein Tigerschädel, ungeheuerlich und auf eine grauenerweckende, unvergeßliche, zerschmetternde Weise schön … Weiß wie Schnee die Fangzähne. Funkelnd wie gezückte Messer. Schneeweiß die Gesichtsstreifen, schneeweiß und tiefschwarz. Die Augen in nächster Nähe: Weit aufgerissen, tellergroße, riesige, von Haß, Zorn und Lust erfüllte Smaragd-Augen. Und das Boot neigte sich wieder.
    »Nein!« brüllte Van Koonen. »Nein! … Nein!«
    Die Tigerin hatte beiden Pranken auf dem Bootsrand.
    Sie mußte mit den Hinterbeinen schwimmen, aber die Krallen hatte sie in der Schanzleiste. Das Scheißding kippt … oh Gott, es kippt!
    Es gab keine Überlegung. Es gibt sie nie in solchen Sekunden. Van Koonen wußte nicht, was zu tun war, tat, was er tat, ohne Überlegung und Empfindung, hielt den Griff des Metallpaddels, stieß das Blatt in den aufgerissenen blutroten Rachen.
    Der schreckliche Kopf verschwand …
    Van Koonen brach zusammen. Seine Zähnen schlugen aufeinander. Er zog mit den Händen die Beine ans Gesicht und weinte.
    Von weiter unten drang das Geräusch brechender Zweige durch das Murmeln des Wassers.
    Halb blind vor Schmerz hatte die Tigerin das andere Ufer erreicht. Sie legte sich auf den sandigen Boden und hechelte nach Luft. Ihren Rachen erfüllte der süßliche Geschmack von Blut. Sie spuckte Blut. Sie schluckte, trank es. Ihr eigenes Blut.
    Zwei Stunden später schlug sie mit ihren verstümmelten Lefzen am Ufer ein trinkendes Hirschkalb und schleppte es zu den Jungen …
    Maya Nandi streckte die Beine aus. Sie waren nackt und braungebrannt. Oberhalb des Knies verlief der blauviolette Streifen einer kleinen Prellung. Sie trug Sandalen, dunkelgrüne Seiden-Shorts und eine dunkelgrüne Bluse, und das war es schon … Was sie an Kleider für diesen Auftrag mitgenommen hatte, hing in einer Schrankwand des Sloane Court Hotel in der Balmoral Road. Das Sloane war ein kleines, hübsches Mittelklasse-Hotel mit einem ebenso kleinen, hübschen Garten. Das beste daran: Der indische Manager fragte nicht viel. Den Paß konnte er sowieso haben, denn der war gefälscht … und gut gefälscht …
    Trotzdem: Sie spürte keine Lust, ins Sloane zurückzukehren.

Weitere Kostenlose Bücher