Im Auftrag des Tigers
Blättern, die ihn an die Blätter der Cana de India erinnerten, bedeckten das Tuch, das sich Maya um den Körper gewickelt und an den Hüften geknotet hatte. Lungi nannte man das in Indien. Schön. Wunderschön. Und ob! So verdammt unglaublich sah sie darin aus, daß er sich auf die Blätter und Ranken konzentrieren mußte, weil ihn ihr Gesicht und das Lächeln darin zu sehr verwirrten.
»Na endlich«, sagte sie.
Ja, dachte er, na endlich …
Wem immer das Boot gehören mochte, der Eigner der Estragon bewies Geschmack: Langstielige Gläser standen auf dem Tisch, Oktagon-Porzellan, zartbemalte Jugendstil-Schälchen. Eine alte Schiffslampe beleuchtete weißstrahlenden, körnigen Reis, Schalen mit verschiedenen Gemüsen und Soßen, eine große Platte mit knusprig gebratenen Fischen.
»Wieso setzt du dich nicht endlich hin?«
»Weil ich völlig erschlagen bin. Und weil ich mich frage, wie du das in fünfzig Minuten hast zaubern können!«
»Fünfundvierzig.« Purer, blanker Hausfrauenstolz stand in dunklen Mandelaugen. Und er sah sie vor sich in einem exotischen Haus, das an irgendeinem exotischen Ort stand, vor schön gemasertem, exotischem Holz … Ipoh? Nein, in Ipoh hatte sie ihre Jugend verbracht, dann war sie nach Jorak gezogen, in dieses Sultanat – aber wie hieß die Stadt?
Er setzte sich. »Daß ein Mädchen wie du so etwas fertigbringt, hätte ich nie gedacht.«
»Was weißt du schon von mir, Rick Martin?«
»Genau«, sagte er. »Das ist es … Aber muß ich jetzt aus dem Reis Bällchen machen und in die Soße tunken? Und den Fisch mit den Fingern essen?«
»Mußt du nicht. Mach ich ja auch nicht. Aber es würde besser schmecken, glaub mir.«
Er probierte einen Bissen, probierte einen zweiten – der Geschmack füllte seinen Gaumen, war reich, brannte auf der Zunge, entfaltete eine zarte Süße und blieb pikant zugleich: Tausend und eine Nacht … Sie schenkte sogar Wein ein, schien versessen auf die Rolle der dienenden indischen Hausfrau …
»Rick, hör mal! Was siehst du mich so an?«
»Darf ich nicht?«
»Komm nicht mit Gegenfragen.«
Er grinste: »Weil du in diesem Ding so umwerfend aussiehst, daß ich mich frage, was passieren würde, wenn du damit im Büro auftauchen würdest. Warum machst du nicht mal einen Test?«
»Ein Lungi steht fast jedem Mädchen. Bei euch werden sie nie dahinterkommen. Vielleicht liegt's am Klima. Oder weil die Engländerinnen meist ziemlich dürr geraten …«
Sie schob ihm eine neue Schale zu. »Ingwer«, sagte sie. »Und gar nicht so alt. Daß sich hier in einem spanischen Supermarkt Ingwer auftreiben läßt, also das finde ich beachtlich.«
Er lehnte sich ein wenig zurück: »Ich sehe dich auch an, weil ich mich gerade etwas gefragt habe.«
»Und was?«
»Du hast vorhin gesagt, du willst nicht mehr. Schön, die einen wollten dich erwürgen, die anderen erschießen – ein bißchen viel für ein Mädchen. Kein Wunder, daß du den Job satt hast.«
»Das ist es nicht, Rick. Ich mach' auch weiter. Glaub mir …« Sie zögerte, atmete durch und nahm einen neuen Anlauf: »Diese Arbeit ist das einzige, nein, sie ist das wichtigste, was ich habe. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich längst durchgedreht. Ich weiß wirklich nicht, was ich getan hätte. Und insofern bin ich dir sehr dankbar.«
»Ja?«
»Aber das hier ist nicht meine Gegend, Rick. Thunfisch im Mittelmeer … Khartum … Elfenbein … Elefanten … Atommüll bei euch … Da wo ich herkomme, gibt's ganz andere Dinge.«
»Und deshalb willst du nach Malaysia zurück?«
Sie schwieg. Dann sagte sie: »Ich weiß es nicht. Noch nicht. Wahrscheinlich …«
»Wie ich dich einschätze, Maya, könntest du auch als Journalistin arbeiten. Begabt dazu bist du. Ich könnte dir …«
»Du kannst gar nichts«, unterbrach sie scharf. »Du sollst auch nicht.«
Der Gedanke, nichts mehr von ihr zu wissen, sie aus den Augen zu verlieren, nicht mehr ihre Stimme zu hören, versetzte ihn in eine Panik, die jeden vernünftigen Satz unmöglich machte. Er zerbrach das Stück Brot in seinen Händen. Ihr Blick ließ ihn nicht los.
Dann stand sie ganz plötzlich auf, ging in die Küchenecke, holte eine Schüssel voll Weintrauben, stellte sie auf den Tisch, pflückte Beeren ab, zwei, drei, schob sie in den Mund und leckte mit der Zunge über die Oberlippe. Sie sprach noch immer nichts, sah ihn an, die ganze Zeit.
Schließlich sagte sie: »Ich werde weggehen, Rick.«
»Und dann?«
»Was dann kommt, weiß ich
Weitere Kostenlose Bücher