Im Auftrag des Tigers
malaiischen Delegation in New York, startete mein Vater die erste große Kampagne zum Schutz der südasiatischen Regenwälder. Er tat es auch für seine Tiger. Und damals gab es noch ziemlich viele. Hunderte. Doch heute?« Sie hob die Schultern. »Lassen wir das Thema. Reden führt wirklich zu nichts.«
Heute? Was bedeutete das für sie? Daß nichts mehr war wie früher. Der Vater, der Sultan – tot. Die Tiger wahrscheinlich auch. Oder am Aussterben … Er wußte es nicht. Er hatte darüber gelesen, er hatte die BBC-Sendung gebracht über den Untergang der Tiger in Borneo und Bali, auch über das völlige Verschwinden des javanischen Tigers, doch all sein bisheriges Wissen schien oberflächlich. Für sie aber war es der zentrale Punkt ihres Lebens. Und doch bot sie ihm nichts als Andeutungen. Maya – so viele leere Seiten, die ganze Frau ein Buch voll leerer Seiten … Er hatte ihr beim Aufräumen und Tellerabwaschen geholfen, nun faltete er das Handtuch zusammen und sie nahm es ihm ab: »Vorhin, Rick, hast du gesagt, mein Vater sei tot, nicht wahr?«
»Ich hab' nur …«
»Er kann nicht sterben.«
»So?«
»Im Wald bei uns leben die Senoi, vielleicht das letzte unberührte Urwald-Volk Malaysias. Und die Senoi sagen, daß Menschen und Tiere sterben müssen. Daß es aber auch Menschen und Tiere gibt, unter den Tieren vor allem Tiger, die gar nicht sterben können … Sie dürfen nicht … Sie leben ewig.«
Ihre Stimme blieb so klar und ruhig, als rede sie über etwas ganz Selbstverständliches. »In solchen Menschen und Tieren wohnt der Bali Tana. Er verlangt, daß sie ewig im Wald und ewig wachsam bleiben und dafür sorgen, daß das Leben weitergeht. Verstehst du?«
»Ich versuche es … Und wer ist Bali Tana?«
»Bali Tana? Das ist der Geist der Erde.«
Sie schüttelte den Kopf und lächelte. Es war ihr wohl ziemlich gleichgültig, ob er sie verstand.
Bali Tana? …
»Willst du?«
»Wie bitte?«
»Ob du noch von den Trauben hier willst?«
Er sah sie verständnislos an.
Sie nahm die Schüssel und trug sie hinüber zum Spülbecken.
Rick fühlte sich weit, sehr weit weg, in einem Wald, in dem es Tiger und Menschen und Geister gab. Die Beule an seinem Kopf begann erneut zu schmerzen. Er schloß die Augen und legte die Hand darauf. Er spürte ihre Hände auf seinen Schultern, ganz leicht. Sie war hinter ihn getreten, ohne daß er sie gehört hatte: Ihre Hände auf seinen Schultern, leicht wie Vogelschwingen, schwerer nun, als sich ihre Finger um seinen Trapezmuskel krümmten und die Spitzen sich in die Schlüsselbein-Mulde schoben.
Er hielt ganz still. Er verfolgte, was die Berührung auslöste, verfolgte dieses Etwas, das aus ihren Fingern zu strömen schien.
»Ziemlich verspannt.«
»Nicht mehr. Nicht mehr lange.«
»Meinst du …«
Ihr Atem strich über sein Ohr. Die rechte Hand löste sich und fuhr spielerisch über seine Haare, suchte die brennende Stelle an seinem Hinterkopf, fand sie, war kühl wie ein Windhauch.
»Wird es besser?«
Es wurde besser, ja, es wurde gut. Der Schmerz löste sich, verschwand, hatte nie existiert. Er fühlte die Berührung von Baumwollstoff an seiner Wange, darunter war warm und glatt der seidenweiche Druck ihrer Brüste. Er schloß die Augen, während er ihrem Atem lauschte, wartete … Auf was? Sein Glied richtete sich auf, drückte gegen die Hose; es schmerzte, und er dachte, daß sie es sehen würde, sehen mußte …
Der Druck verstärkte sich. Er schob den Kopf zurück, schob ihn in die Senke zwischen diesen Wölbungen und glaubte, ihren Herzschlag zu spüren.
Er griff hinter sich, erwischte den Knoten ihres Gewandes und hörte sie lachen, als sie sich ihm entwand. Er stand auf. Die grünen Lianen waren verrutscht, der Lungi hing auf der rechten Seite so tief, daß er den Hof der rechten Brustwarze freigab, das Halbrund einer winzigen aufgehenden Sonne über einem dunklen Band. Die Augen, diese Augen – sie waren nichts als eine einzige, schwarzflüssige Einladung. Ich brauche dich … Seine Stirn brannte. Ich brauche dich!
Sie ging voran, es war ein anderer Gang als der, den er an ihr kannte. Schwingende Hüften, elegante fließende Bewegungen: Tiger, die ewig lebten? … Herrgott, wenn je eine Frau etwas von einer Tigerin hatte, dann sie!
Er wollte nach ihr greifen, streckte den Arm aus, aber wieder hatte sie es geahnt, war schneller. Sie hatte die Tür geöffnet, er hielt sich am Rahmen fest …
›Zwei Meter auf einssechzig‹, hatte dieser Typ
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