Im Auftrag des Tigers
Und wir könnten die Regenwald-Vernichtung daran aufhängen. Maya hat mir das ständig erzählt. Mensch, dieses verdammte Weib wäre die ideale Besetzung gewesen. Sie wußte Bescheid, wirklich Bescheid … Und Artenschutz war bei uns noch immer ein Hit. Heizt die Leute an. Aber was macht sie? Sie hakt uns ab … Ja, wenn wir sie wieder haben könnten, dann wäre mir bei dem Thema wohler.«
Dir? hatte er gedacht. Mir!
Und zum hundertsten Mal: Was zum Teufel treibt sie in New York? Er wußte, daß es dort einen Anwalt gab, der sehr wichtig für sie war: Der Mann, der das Verschwinden ihres Vaters untersuchte.
Alles, was ich tue, hängt mit meinem Vater zusammen.
Trotz der Widerstände in der Agentur knüpfte Rick Martin ein Netz von Beziehungen zur Vorbereitung der neuen Kampagne – oder besser, er versuchte es. Es war nicht einfach. All diese südasiatischen Staaten, die sich die ›jungen Tiger-Staaten‹ zu nennen pflegten, gaben sich zwar demokratisch, wurden aber bei der Durchsetzung ihrer rabiaten Wachstums- und Industrialisierungs-Konzepte von einer korrupten Oberschicht nach härtesten Law-and-Order-Prinzipien regiert. Wachstum, das bedeutete Aufopferung für die Interessen der Industrie. Diese aber bestanden in der rücksichtslosen Ausbeutung der vorhandenen natürlichen Ressourcen.
Wer immer sich gegen die Natur-Zerstörung wandte, geriet in die Nähe des ›Staatsfeindes‹ und wurde mit Hilfe der noch aus der Zeit des Kampfes gegen die kommunistischen Guerilla-Bewegungen stammenden Ausnahme-Gesetze bekämpft. Die wenigen Naturschützer hatten einen schweren Stand. Entsprechend kümmerlich ausgebildet waren auch ihr Selbstbewußtsein und ihre Organisation.
Die Arbeit ging trotzdem voran.
Rick Martin fand heraus, daß es in Singapur eine Organisation gab, die sich Friends of the Earth nannte. Dieser Organisation war es gelungen, sich auch in Malaysia auszudehnen.
Nach einigem Hin und Her kam die Zusage. Singapur schien ihm für den Anlauf der Aktion der ideale Ort. Singapur war Vorbild für die anderen. Banken, Handelszentralen, die Zentralen der Industrie wie die der großen Holz-Exporteure, alle saßen sie in Singapur. Der Tiger galt als Symbol der Stadt. Wenn selbst diese Saubermann-Stadt mit dem Verkauf von ›Tiger-Medizin‹ die Schutzkontrollen zugunsten eines absurden Aberglaubens mißachtete, hatten sie einen Ansatzpunkt. Zuerst der Tiger, dann der Holz-Export – dies war die Strategie, die sie sich in der Agentur zurechtlegten.
Er dachte selbst daran, nach Singapur zu fliegen. Im Grunde hing das ganze Konzept von einem einzigen Menschen ab: Maya Nandi …
III
Bunt ist das Leben …
Es gab zum Beispiel Zeiten, da verkaufte J.P. auf dem Markt hinter dem Gare de Lyon in Paris wilde Ledermalereien oder selbstgefertigte Kopien indianischer Schmuckbänder.
Auch das Saigon-Kapitel war ziemlich farbig gewesen. J.P. landete mit dem dritten Bataillon des sechsten Regiments der Legion Etrangère in Indochina und erlitt alsbald eine ernste Kriegsverletzung. Sie sollte sein Leben und seine Psyche gründlich verändern … Als die Amerikaner Vietnam von den Franzosen übernahmen, blieb J.P. noch immer überzeugt, seine neue Heimat gefunden zu haben. Zunächst schlug er sich als Bordellier durch. Später erinnerte er sich wieder seiner bunten, künstlerischen Ader und verkaufte den GIs in einer Galerie in Saigon die grauenhaften Kitschbilder nackter Exoten-Mädchen, die eine Reihe unterbezahlter vietnamesischer Studenten für ihn pinselte.
Daß er dann schließlich so richtig ins Geschäft kam, hatte er ausschließlich dem Alten zu verdanken. Nur: Manchmal konnte einem das Geschäft auch auf den Magen schlagen.
In miserabler Stimmung ließ J.P. die Gold Wing über die Zaharah Jalan laufen und dann über die Ismail und schließlich zum Islana Bezaar, wo sie den Markt für den Strom der Touristen herrichteten, die am Abend von Singapur nach Johor herüberkamen, um billigen malaiischen Satu Goreng zu essen oder die gleichfalls billigen Mädchen zu vernaschen.
In ihren Shorties und Minis standen diese wie bunte Vögel vor den dunklen Eingängen der Girly-Bars.
J.P. Bernier stoppte die schwere Gold Wing vor Tims Friseur-Shop, ließ sich rasieren, das Gesicht pudern und die langen, graublonden Haarfransen stutzen, die er hinter seiner braunverbrannten Glatze zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Tim bediente ihn persönlich. Tim, Malaie und schwul, hatte einen Laden vom Feinsten.
»Gefärbt willst du
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