Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
Eroberern auf eine Weise zusammengetan hatten, die so zeitlos zu sein schien wie der Krieg selbst. Die Frauen dienten als Köchinnen oder Wäscherinnen oder Beischläferinnen. Sie waren ebenso Opfer des Krieges wie die Soldaten, denen die Truppen des Pharaos die Schädel eingeschlagen hatten. Sie hatten sich verbündet, um zu überleben.
    Da Leah ungeduldig darauf wartete, Megiddo zu verlassen, hatte sie sich mit niemandem verbündet. Zwar schlief sie im Harem und nahm auch ihr Essen dort ein, aber sie hielt sich von den anderen fern. Schon weil zwischen den Ehefrauen und Konkubinen des gefangen gesetzten Königs von Megiddo und den Ehefrauen des Pharaos große Rivalität herrschte. Von Pakih wusste sie, dass Ägypter von einem Feind ein Abbild anzufertigen pflegten und dieses dann verstümmelten oder irgendwie »verletzten«, um die Macht dieses Feindes zu schwächen. Leah selbst hatte erlebt, wie die Ehefrauen von Thutmosis in ihren Eifersuchtskämpfen wiederholt schwarze Magie einsetzten, was für die Eunuchen, die die Wachspuppen und lange Nadeln einschmuggelten, ein lukratives Geschäft bedeutete. Da sich Leah nicht in diese heftigen Konflikte hineinziehen lassen wollte, hatte sie sich unter den Frauen weder Freunde noch Feinde gemacht.
    Die Bewohnerinnen des Turms verbrachten ihre Zeit damit, sich gegenseitig stundenlang das Haar zu flechten, vor dem Spiegel zu sitzen und sich das Gesicht zu schminken oder sich den Körper mit einer zuckrigen Paste zu beschmieren, um auf diese Weise jedes einzelne Haar zu entfernen. Wenn sie ein Bad nahmen, gaben sie sich damit eher dem Müßiggang hin denn dem Trachten nach Sauberkeit. Sie liebten ein Brettspiel, für das sie Stäbchen und Würfel benutzten; es nannte sich Hunde und Schakale und war dem in Ugarit so beliebten Fünfundfünfzig-Löcher-Spiel nicht unähnlich. Sie hörten Musik und verspeisten Delikatessen, tranken Wein, amüsierten sich mit ihren Babys und Kindern und warteten darauf, dass abends der Pharao erschien und sich eine von ihnen für sein Bett aussuchte.
    Wie Vögel in einem Käfig, befand Leah. Verwöhnt und abgeschoben, während da draußen, jenseits der verkohlten Felder und des Marschlands, hungrige Gefangene in einfachen Zelten um ihr Überleben kämpften. Weniger als tausend Schritt entfernt und doch unendlich weit weg. Bisher hatte Leah noch nie darüber nachgedacht, wie ungerecht es im Leben zugehen konnte und wie unterschiedlich es allein dadurch verlief, wo man zufällig geboren wurde. Kinder, die in diesem Turm das Licht der Welt erblickten, sahen einem Leben in Luxus und Wohlergehen entgegen, während ein Neugeborenes da draußen von Glück sagen konnte, wenn es überhaupt durchkam.
    Während die Ehefrauen des Königs von Megiddo Kanaaniterinnen waren und sich an Sitten und Gebräuche hielten, wie sie auch Leah vertraut waren, waren die Ägypterinnen hier Fremde und in vielerlei Hinsicht verblüffend. Sie sprachen hastig, wenn auch mit vielen Unterbrechungen, erhoben die Stimme und gestikulierten. Wie bereits beobachtet, hatten auch sie die merkwürdige Angewohnheit, sich unvermittelt die rechte Hand mit der Handfläche nach außen wie einen Schild vors Gesicht zu halten und dann irgendeinen Schwur zu murmeln. Pakih, der die ägyptische Sprache recht gut beherrschte, hatte gesagt, dass die Bewohner des Niltals ständig eine Vielzahl von Zaubersprüchen gebrauchten. »Diese Zaubersprüche äußern sie immer und immer wieder, so als wollten sie einen unsichtbaren Schutzmantel um sich weben. Die vor das Gesicht gehaltene Hand wehrt böse Geister ab. Ihre bevorzugte Beschwörung scheint die zu sein: ›Ich kenne dich – ich kenne deinen Namen.‹ Ich glaube, Zweck dieser Beschwörung ist, die Gunst aller Geister zu gewinnen, die sich in der Nähe herumtreiben, ob das nun gute sind oder böse. Ägypter glauben, Geistern ist daran gelegen, dass sie erkannt werden, das gefällt ihnen. Handelt es sich um Dämonen, nimmt man an, dass sie bei jemandem, der weiß, wer sie sind, weniger Unheil anrichten.«
    Die schwarze Nase rümpfend, hatte Pakih hinzugefügt: »Ägypter sind ein abergläubisches Volk, ihr Kanaaniter dagegen seid gottesfürchtig. Was ein Unterschied ist.«
    Vom Fenster aus konnte Leah beobachten, wie Kundschafter ins Lager ritten, von ihren Pferden sprangen und in den blauen Pavillon eilten. Sie hatte Divisionen unter Bannern ausziehen sehen, um kleine Aufstände zu unterdrücken, die in der Region auszubrechen drohten. Gerüchte

Weitere Kostenlose Bücher