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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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weiter nach einer Öffnung entlang einer Naht ab, »auf dass uns deine Worte kein Unglück bringen. Weiter vorn geht es vielleicht.«
    Sie umrundeten die Ecke. Entsetzt sah Leah hoch: ein grimmig dreinblickender Reshef stellte sich ihnen in den Weg.
    Wachen ergriffen die Eindringlinge, und als Reshef etwas auf Ägyptisch knurrte, sagte Pakih: »Der Oberste Arzt sagt, jeder, der sich unberechtigt Zutritt zum Zelt Seiner Majestät verschafft, wird mit dem Tode bestraft.«
    »Frag ihn, ob sich Seine Majestät da drin aufhält.« Sie deutete auf das Zelt.
    Pakih tat wie geheißen. Mit flackernden Augen antwortete Reshef mit einem Ja.
    »Frag ihn nach David.«
    Wieder übersetzte Pakih, worauf Reshef den Kopf schüttelte. »Dein Ehemann ist nicht da drin«, sagte Pakih. »Der Oberste Arzt weiß nicht, wo er ist.«
    Sie versuchte sich loszureißen und auf den Eingang zuzurennen. »Du dummes Weib!«, zischte Reshef, als man sie wieder einfing. Und dann sagte er etwas auf Ägyptisch, worauf Pakih weiche Knie bekam. »Der Oberste Arzt sagt«, übersetzte er, »dass unsere Hälse auf dem Block landen, wenn wir es wagen sollten, da reinzugehen. Bitte, Herrin, ich flehe dich an. Erniedrigen wir uns und sagen wir ihm, dass es uns leidtut, ihn verärgert zu haben, und bitten wir ihn, in den Harem zurückkehren zu dürfen.«
    Stattdessen sagte Leah zu ihm: »Danke für deine Hilfe, mein Freund. Mögen dich die Götter mit reichem Segen bedenken. Und jetzt bitte Reshef, mir eine Audienz mit Seiner Majestät zu gewähren und dich zu deinen Pflichten im Harem zurückzuschicken. Sage ihm bitte, dass ich dich gezwungen habe, mich zu begleiten.«
    Der Eunuch tat wie geheißen und übersetzte dann Reshefs Antwort: »Ihm zufolge ist mir nichts vorzuwerfen, zumal ich nur ein Sklave bin und als solcher den Launen einer einfältigen Frau willfahre. Ich darf gehen. Er sagte aber auch, dass er dir diese Audienz nur gewährt, weil Seine Majestät sich für die Tontafeln interessiert, die in deinem Geheimcode geschrieben sind. Und dass du, da du dich weigerst, die Fragen des Obersten Arztes zu beantworten, vielleicht die Seiner Majestät beantwortest. Du darfst allerdings mit niemandem über das sprechen, was du heute Abend in diesem Zelt siehst.«
    »Sag ihm, dass ich das bei meinen Göttern feierlich verspreche.«
    Auf das, was Pakih übersetzte, erwiderte Reshef etwas in spöttischem Ton.
    »Was hat er gesagt?«
    »Der ägyptische Hund sagt, dass die Kanaaniter bekannt dafür sind, abergläubisch zu sein und ihre Götter nicht so wie die Ägypter respektieren. Bei den heiligen Geistern meines Volkes in Afrika! Was für eine rückwärts gerichtete Welt das doch ist!«
    Auf Reshefs Befehl hin wurden die beiden in den prächtigen blauen Pavillon gebracht, wo sie ein angenehm süßer Duft und das einladende Licht vieler Fackeln und Lampen empfingen.
    Nur wenige Personen hielten sich in dem Zelt auf – Offiziere verschiedener Ränge. Sie standen in der Mitte, in einer Art Kreis, blickten zu Boden und redeten alle durcheinander. Was ihre Aufmerksamkeit fesselte, war eine riesige Landkarte, auf der die Generäle mit Hilfe langer Stäbe Figuren hin und her schoben.
    So etwas hatte Leah schon einmal gesehen – im Palast in Harran, nördlich des Euphrats. Dieser Raum hier war ein Konferenzzimmer, in dem man militärische Strategien entwickelte und Truppenbewegungen anhand der geographischen Lage von Städten und Schlüsselpositionen durchspielte. Winzige Soldaten, in Divisionen aufgereiht, zusammen mit Pferden und Streitwagen. Hier und dort standen einzelne Figuren, die größer waren als die übrigen und Kronen trugen – die Könige fremder Städte. Jeder war von einem Pfeil durchbohrt – ähnlich wie die Wachspuppen, in die die eifersüchtigen Ehefrauen von Thutmosis Nadeln stachen, um die Macht einer Rivalin zu schwächen.
    Und dann hob Leah den Blick …
    Sie keuchte und hielt sich rasch den Mund zu.
    Auf einem hohen Thron saß jemand, der den Generälen Befehle erteilte, Berichte von Kundschaftern in Empfang nahm und auf Punkte auf der Landkarte deutete. Was gesagt wurde, verstand Leah nicht, aber sie wusste, wer diese Gestalt war.
    Es war nicht Pharao Thutmosis.
    Leah stand wie gelähmt da. Hypnotisiert. Obwohl für tot erklärt, konnte die Frau, die dort auf dem hohen Thron saß, niemand anderes sein als Hatschepsut persönlich.
    Oder vielleicht doch nicht? Königlich gekleidet war sie zumindest nicht. Weißes Leinen umhüllte sie, und dazu

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