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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Schreibweise ist allen anderen in der Welt weitaus überlegen. Als Herrscher der größten Nation auf Erden empfiehlt es sich dennoch, Kenntnis vom Tun und Treiben unbedeutenderer Staaten zu erlangen. Vielleicht werden ja eines Tages Briefe und Dokumente und Vereinbarungen in dieser neuen, wenngleich minderwertigen Schrift abgefasst. Wir werden dich hierbehalten, damit du derlei Dinge für uns übersetzen kannst.«
    »Mich hierbehalten!«, brach es aus David heraus.
    »Nicht dich«, sagte Hatschepsut abschätzig. »Die junge Frau Merit, die einmal Leah war. Wir vertrauen ihr, sie soll bei uns bleiben. Es schickt sich nicht, dass ein Mann, noch dazu ein Fremder, ungeachtet dessen, wie hochgeboren er ist, sich in unserer strahlenden Gegenwart aufhält.«
    Halla!,
erschrak Leah. Jetzt habe ich mein Leben gerettet, und gleichzeitig werde ich die Gefangene eines weiteren Monarchen! Aber ich kann nicht hierbleiben. Meiner Familie droht die Sklaverei!
    »Darf ich etwas sagen?«, meldete sie sich zu Wort. »Vielleicht möchte sich Majestät nicht auf meine unzureichenden und fehlerhaften Kenntnisse im Lesen und Schreiben verlassen. Vielleicht würde die Strahlende es vorziehen, in der neuen Schrift abgefasste Briefe und Dokumente selbst zu lesen.«
    Den Umstehenden verschlug es den Atem. Tödliches Schweigen breitete sich aus. Blicke wurden getauscht. Hatte das Mädchen soeben den mächtigsten Herrscher der Welt herausgefordert?
    »Soll das heißen,
du
machst dich anheischig,
mich
in dieser neuen Schrift unterweisen zu wollen?«, fragte Hatschepsut scharf.
    Leah spürte aller Blicke auf ihr ruhen. »Nein, Herrlichkeit, denn ich bin nicht würdig,
auf dem Staub unter deinen Füßen zu wandeln. Was ich in meiner unbeholfenen Art sagen wollte, ist, dass niemand auf Erden Deine Herrlichkeit in irgendetwas unterweisen könnte, schon weil die Tochter des großen Gottes Amon-Re ohne jeglichen Zweifel alles beherrscht. Es ist einfach so, dass Deine Göttliche Majestät täglich an so vieles zu denken hat, an mehr, als das Firmament an Sternen zählt, dass Deine Herrlichkeit diesen Code vorübergehend vergessen hat. Es wäre mir in aller Demut eine unfassbare Ehre, die Kenntnisse von diesem Code bei der Göttlichen Majestät
aufzufrischen,
mehr nicht. Und danach wird die Göttliche nicht länger eine derart wankelmütige Person wie mich zur Übersetzung benötigen, wird sie doch eine einzigartige Befähigung besitzen, über die nur noch zwei weitere auf der Welt verfügen – David und ich.«
    Stille lastete im Raum, bis Hatschepsut sagte: »Shalaaman kennt den neuen Code nicht?«
    »Nein, Herrlichkeit. Allmächtige Königin, dieser neue Code dürfte sich, weil er so einfach
und so klar ist, mit Sicherheit in der ganzen Welt verbreiten! Die Könige und Prinzen Kanaans werden erzittern bei dem Gedanken, dass Deine Göttliche Herrlichkeit ihre Briefe
selbst
liest. Ägypten ist wirklich groß, werden sie sagen, der große Gott Amon-Re ist wirklich groß, wenn seine irdische Tochter einen geheimen Code zu lesen versteht, von dem wir erst jetzt Kenntnis erlangt haben.«
    Die dunklen Augen der Königin schienen Leah zu durchdringen.
    Mit wild klopfendem Herzen fuhr sie fort: »Die Könige und Prinzen von Kanaan, Mitanni und
Babylon und selbst die von Hatti im hohen Norden werden Deine Majestät zum klügsten und allen
Regierenden in der Welt überlegenen Herrscher erklären, wäre Deine Majestät dann doch die Einzige, die sich keines Übersetzers bedienen müsste. Ruft Deine Herrlichkeit mit Deinen vorzüglichen Fremdsprachenkenntnissen nicht schon jetzt Bewunderung hervor? Wie viel mehr noch, wenn Deine Herrlichkeit auch fremdsprachige Schriften
lesen
kann. Ist das nicht das Merkmal eines wirklich
allwissenden
Monarchen?«
    Sie spürte, wie ihr Nacken kribbelte, als Hatschepsut sie mit unergründlicher Miene anstarrte. Selbst Thutmosis wartete auf Antwort von seiner Tante.
    Nach einigem Grübeln meinte die Königin: »Also gut. Du wirst der allwissenden Tochter des großen Gottes Amon-Re helfen, ihre bereits vorhandenen Kenntnisse aufzufrischen.«
    Sie befahl etwas auf Ägyptisch, worauf Sklaven ausschwirrten, um gleich darauf mit einem kleinen, mit Elfenbein eingelegten Kästchen wiederzukommen, das sie dem Arzt Reshef übergaben, der es öffnete und eine goldene Kette herausholte, an der das Auge des Horus aus funkelndem Gold und himmelblauem Lapislazuli hing. Dieses Schmuckstück reichte Reshef Ihrer Majestät, die sich die Kette so

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