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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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umhängte, dass das Auge des Horus auf ihrem Busen zu liegen kam und im Licht der Fackeln aufblitzte. »Worte sind Macht«, sagte sie. »Das heilige Auge wird uns beschützen, solltest du unabsichtlich etwas Abträgliches niederschreiben. Fangen wir an.« Damit ging Hatschepsut zurück zu ihrem Thron.
    Leah erschrak. »Jetzt?«
    Hatschepsut nahm auf ihrem königlichen Sitz Platz, legte die Hände auf die in Form von Pantherköpfen geschnitzten Armstützen aus Ebenholz. »Es gibt nur ein Jetzt. Bringt Ton und Ritzstift. Setz dich hier hin, zu unseren königlichen Füßen. Führe der Tochter des Amon-Re die neue Schrift von Kanaan vor. Schreibe Worte nieder, und ich werde sie erkennen.«
    David hatte bereits seinen Kasten mit den Schreibutensilien geöffnet und reichte Leah einen Klumpen feuchten Tons sowie ein dreieckiges Rohr, als Pharao Thutmosis etwas auf Ägyptisch sagte, was, dem Ton nach zu schließen, ein Kraftausdruck zu sein schien, ehe er sich mit seinen Generälen wieder der großen Landkarte auf dem Boden zuwandte und mit ihnen Eroberungsstrategien erörterte.
    Höflinge und Offiziere hingegen widmeten ihre Aufmerksamkeit weiterhin ihrer Monarchin, schienen nur darauf zu warten, ihr Beifall zu zollen, wenn die »Erinnerung« an den Code »zurückkehrte«, während Arzt Reshef sich hinter dem Thron aufbaute.
    Als sich Leah an den Rand des Podiums hockte, auf dem der Thron stand, kam David zu ihr, beugte das Knie und raunte ihr zu: »Ich werde dir helfen. Vielleicht gelingt es uns, der Königin zu gefallen.«
    Aber noch ehe Leah die Tafel mit den dreißig Zeichen vor sich liegen hatte, um der Königin den Code zu erläutern, sagte Hatschepsut: »Schreibe das Wort für ›Gott‹.«
    Leah tat wie geheißen, drückte den Ritzstift in den Ton, hielt die Tafel dann für Hatschepsut hoch. Die Königin neigte sich vor und warf einen Blick auf die von der Fackel eines Sklaven beleuchtete Tafel.
    »Ja«, sagte sie. »Ich erkenne das Wort. Und jetzt schreib ›Vater‹.«
    Leah tat es und hielt ihr die Tafel hin.
    Hatschepsut nickte. »Die Erinnerung kehrt zurück. Schreib ›Ewigkeit‹.«
    Leah drückte den Stift in den Ton, bildete Keile und Dreiecke und fragte sich bereits, ob Hatschepsut von ihr verlangen würde, sämtliche existierenden Wörter niederzuschreiben. So eignete man sich doch keine neue Schrift an! David und ich werden für den Rest unseres Lebens Gefangene sein!
    »Wenn ich in aller Bescheidenheit anmerken dürfte, Herrlichkeit«, wagte sich Leah behutsam vor, »umfasst die neue Schrift lediglich dreißig Zeichen. Sobald Majestät diese dreißig Zeichen beherrscht – Verzeihung, sich wieder daran
erinnert
 –, kann Majestät uneingeschränkt alles lesen.«
    »Schreib ›Macht‹«, herrschte Ihre Majestät sie stattdessen an, und Leah drückte den Ritzstift in den Ton.
    »Und jetzt ›Ergebung‹.«
    Asherah rette mich! Was Uneinsichtigkeit anging, konnte es die ägyptische Königin durchaus mit König Shalaaman und anderen Herrschern aufnehmen, vor denen Leah gestanden hatte – aber genau diese Eitelkeit und dieses Selbstbewusstsein, allen überlegen zu sein, war es ja, die sie zu gefürchteten und mächtigen Herrschern machte. Aber …
    Sie drückte mehrere Zeichen in den Ton und überlegte: Übertriebene Eitelkeit … Vielleicht waren die Charakterzüge, die Hatschepsut so stark machten, ja gleichzeitig auch ihre Schwäche.
    Als die Königin ein weiteres Wort erbat, ritzte Leah rasch die dreißig Zeichen von Davids Code in den Ton, und als sie die Tafel hochhielt und Hatschepsut sagte: »Ja, daran erinnere ich mich«, erwiderte sie: »Die Götter dürften mit Sicherheit jubeln, Herrlichkeit, denn was du erinnerst, ist der vollständige Code! Und dass dieser Code nun wieder in deinem Gedächtnis gespeichert ist, verleiht Deiner Majestät die Macht, alles Schriftliche lesen zu können.«
    Die Königin verstummte, und Leah war sich sicher, dass jeder das Pochen ihres eigenen Herzens vernehmen konnte. Hatte sie eine Grenze überschritten? Mit demütig geneigtem Kopf musterte sie die Sandalen an den königlichen Füßen – goldene Riemchen, mit Perlen und Edelsteinen besetzt. Sie spürte, dass David regungslos hinter ihr stand, während die Königin wie eine Statue über ihr thronte.
    Die Spannung wurde durchbrochen, als ein Wachhabender eintrat und mit einer tiefen Verbeugung vor Thutmosis die Ankunft einer Delegation aus dem Bezirk Jerusalem verkündete. »Mit einem Geschenk von Fürst

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