Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
Anwesenden aus, die kollektive Ehrfurcht der Männer war zu spüren. Wieder war die Handrassel zu hören, die Vorhänge teilten sich, und aus der Dunkelheit trat eine Gestalt in das goldene Licht der Fackeln.
    Viele der Anwesenden sanken auf die Knie. Nur die Männer, die die höchsten Ränge bekleideten, blieben stehen, verbeugten sich aber tief und hielten die Blicke gesenkt. Als Leah David einen Blick zuwarf, gewahrte sie seinen verblüfften Gesichtsausdruck, die weit aufgerissenen Augen, seinen geöffneten Mund. Kein Wunder – er wusste ja noch gar nicht, dass Königin Hatschepsut am Leben war!
    Wie ihr Neffe war die Königin schlicht gekleidet, trug einen knöchellangen Rock, der unterhalb des Busens endete und von zwei breiten Trägern gehalten wurde, die ihre Brüste bedeckten. Ihre schulterlange schwarze Perücke, über die ein goldener Reif mit einer Kobra in Stirnmitte verlief, war so geschnitten, dass sie eine gerade Linie bildete.
    Mit einer Stimme, die tief und rauchig war wie die Luft im Zelt, sagte sie: »Wir möchten noch mehr hören.«
    David brachte zunächst keinen Ton heraus, starrte wie gebannt diese Frau an, die eine Legende war und die er für tot gehalten hatte. Dann riss er sich zusammen, räusperte sich und sagte: »Ewiglich Strahlende, große Tochter der Sonne, wisse, dass wir in Ugarit unter anderem im Besitz von getrockneten Wurzeln des Lebensbaums sind; auch eine Phiole mit dem Blut Adams, des ersten Menschen, befindet sich unter den Schätzen.«
    Als sie nicht beeindruckt zu sein schien, fügte er hinzu: »Ich bin auf einen Skarabäus gestoßen, Majestät, der dem König von Ugarit von deiner eigenen Ahnin, der verehrten Königin Teti-scheri, zum Geschenk gemacht wurde. Der Skarabäus lebt noch.«
    Hatschepsut hielt sich die Hand mit dem Handteller nach außen vors Gesicht und flüsterte eine Beschwörungsformel. Dann verengten sich ihre Augen zu Schlitzen. »Warum berichtest du uns von diesen geheimen Schätzen?«
    »Sie gehören dir, im Austausch für das Leben dieser Kanaaniterin, die demütig vor dir kniet.«
    »Warum sollte sich dein König von derartigen Kostbarkeiten trennen?«
    »Er weiß nichts von ihnen, Majestät. Als ich der Bruderschaft der Schriftgelehrten beitrat, musste ich leider feststellen, dass sich ihr heiliges Archiv in einem jämmerlichen Zustand befand. In den letzten vier Jahren habe ich mich bemüht, es zu sichten und zu ordnen. Dabei stieß ich auf längst vergessene Schätze. Um zu verhindern, dass sie wieder vergessen oder zerstört werden oder verlorengehen, habe ich sie an einem sicheren Ort verwahrt. König Shalaaman hielt sich in diesen vier Jahren nicht in Ugarit auf, er ist erst kürzlich zurückgekehrt. Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihn davon zu unterrichten, was ich alles entdeckt habe. Aber alles soll dir gehören, Majestät, wenn du das Leben dieser Frau verschonst.«
    »Wie können wir wissen, dass du die Wahrheit sprichst?«
    David deutete auf ein Amulett auf seiner Brust. »Diese Feder der Wahrheit wurde mir überreicht, nachdem ich eine Prüfung unter Aufsicht des Obersten Arztes Reshef bestanden hatte. Sie verbietet mir, jemals Unwahres zu sagen. Zusätzlich bin ich durch eigene heilige Eide zur Wahrheit verpflichtet.«
    Hatschepsut wollte etwas erwidern, als plötzlich ein gellender Schrei zu hören war. Alle im Zelt – Wachen, Offiziere, Höflinge, Pharao Thutmosis selbst – fuhren zusammen und erstarrten, warteten die Reaktion der Königin ab. Sie warf Reshef einen Blick zu, woraufhin der Arzt hinter den Vorhang eilte, durch den Ihre Majestät erschienen war.
    Gespanntes Schweigen breitete sich aus. Ein erneuter Aufschrei war hinter dem Leinenvorhang zu hören, gefolgt von einem weiteren. Hatschepsuts Gesicht verzog sich schmerzhaft, zwischen den geschminkten Brauen grub sich eine Falte ein, etwas Gehetztes lag in ihrem Blick. Jemand schien krank zu sein. Jemand, der der Königin nahestand.
    »Herrlichkeit«, wagte Leah zum Entsetzen aller anzuheben.
    Hatschepsut wandte die schwarz umrandeten, dunkel leuchtenden Augen Leah zu, bedachte sie mit einem Blick, der nicht zu deuten war.
    »Vielleicht kann ich helfen«, fuhr Leah, mutiger geworden, obwohl ihr das Herz bis zum Halse klopfte, fort. »Auf meinen Reisen im Zweistromland bin ich oft Zeugin verschiedenster Behandlungsmethoden geworden. Nicht dass ich die Götter Ägyptens beleidigen oder den Ruf deiner Ärzte schmähen möchte, aber manchmal erkennt ein weiteres Paar Augen Dinge,

Weitere Kostenlose Bücher