Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
die Schulter.
Die Arme auf die Knie gestützt, beugte sich Thutmosis vor, ohne David aus den Augen zu lassen.
Ein weiterer blitzschneller Treffer gegen den Hals ließ David zurücktaumeln. Er hielt sich die Hand vor die Augen. Beide Männer waren jetzt in Schweiß gebadet. Auf Calebs Gesicht erschien wieder das Grinsen, als er sah, dass David schwankte und den Kopf schüttelte, ehe ein weiterer Treffer ihn zu Boden schickte und er auf allen vieren landete. Mit angehaltenem Atem verfolgten die Umstehenden, wie Caleb mit dem rechten Fuß zu einem mordsmäßigen Tritt ausholte. Aber David fing geschickt den Fuß ab und riss ihn hoch, so dass Caleb auf den Rücken krachte. Schon aber war er wieder auf den Beinen, während David etwas länger brauchte, um sich zu erheben. Er schwankte. Kniff die Augen zusammen.
Zu Leahs Entsetzen und zum Bedauern vieler Zuschauer, einschließlich Pharao Thutmosis, der Sympathie für den Prinzen von Lagasch empfand, stand so gut wie fest, dass Caleb gewinnen würde. Als dieser jedoch zum letzten und entscheidenden Schlag ansetzte, flitzte David unvermittelt zu einem von Hatschepsuts Schreibern und entriss ihm, noch ehe man begriff, was er vorhatte, die Rohrfeder, wirbelte herum und schnellte die Feder wie einen Pfeil an den Hals des Gegners.
Getroffen schrie Caleb auf, fasste sich an die Kehle und taumelte zurück, während sich die beiden Monarchen, die Höflinge, Generäle und Sklaven verblüfft fragten, was sich da soeben abgespielt hatte.
Schweißüberströmt und keuchend schleppte sich David vor die Königin und ihren Neffen. »Leah ist meine Ehefrau«, sagte er.
Thutmosis bedachte ihn mit einem Lächeln, das Bewunderung ausdrückte. »Noch nie habe ich einen solchen Kampf gesehen!«, sagte er. »Diese Gewandtheit! Und deine Treffsicherheit mit der Feder ist erstaunlich. Ich werde dich zu einem Offizier meiner Armee machen. Du wirst meine Männer ausbilden …«
»Ihr seid frei. Ihr dürft gehen. Beide.«
Alle Blicke wandten sich Hatschepsut zu.
In das Gesicht des Neffen stieg Zornesröte. »Ich werde David hierbehalten und Shalaaman den Kopf des Mädchens schicken, damit er sieht, dass ich es ernst meine.«
Hatschepsut erhob sich betont langsam, blieb auf dem Podest stehen, so dass sie auf ihren Neffen herabschaute. Und Leah verstand plötzlich, wie es sich mit diesem königlichen Paar verhielt: Hatschepsut hatte den Thron Ägyptens eingenommen, als ihr Neffe erst zwei Jahre alt war. Jetzt, da er die rechtmäßige Nachfolge seines Vaters angetreten hatte, musste Hatschepsut ihre einstmalige Macht abtreten. Dieser Verzicht fiel ihr offensichtlich schwer. Thutmosis, das zeigte sich, wurde von Tag zu Tag mächtiger. Aber die Aura der Macht, über die Hatschepsut verfügte, war ihm noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Und dies war ein Moment, an dem die Königin ihn noch einmal überstrahlte in ihrer Majestät. Nein, Hatschepsut war in ihrem Machtkampf nicht bereit, ihrem Neffen diesen Schriftgelehrten und Krieger zuzugestehen, der Truppen ausbilden sollte, womöglich auch seine eigenen Leibwächter.
Leah erkannte, dass Thutmosis Ägypten genau wie Hatschepsut liebte und ihre Vision, dereinst die Welt zu regieren, in die Tat umsetzen würde. Ihm gehörte die Zukunft. Dies war Hatschepsuts letzter, kleiner Sieg.
»Ihr seid frei. Ihr dürft gehen«, wiederholte die Königin. Thutmosis schwieg.
David verbeugte sich. »Der Großmut Deiner Herrlichkeit ist selbst dem der Götter überlegen.«
Sie traten zurück, und Hatschepsut befahl ihren Wachen: »Macht ein Ende mit ihm.« Sie wies auf Caleb, der stöhnend und blutend auf dem Boden lag.
»Majestät«, wandte David ein, »die Wunde ist nicht tödlich. Ich habe absichtlich …«
Aber man beachtete ihn nicht, und schon stieß ein Wachhabender Caleb sein Schwert in den Leib. Als man den Leichnam wegschleppte, dachte Leah an die Tage, die sie mit diesem Mann verbracht hatte, und die Nächte in seinem Bett. Dann sah sie zu dem Mann an ihrer Seite, zu David, ihrem wahren Ehemann, der jetzt seine Kleider wieder anlegte. Das Blut an seinem Kopf war bereits geronnen. Und plötzlich fiel ihr wieder etwas ein.
»Majestät, dürfte ich …«
Wie die Umstehenden wartete auch die Königin ab. Leah überlegte, ob das, was ihr auf dem Herzen lag, nicht vielleicht doch unverschämt war. Aber sie musste es tun. »Dürfte ich dich in aller Demut um einen Gefallen bitten, Herrlichkeit. Es ist hinlänglich bekannt, dass ägyptische
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