Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
Ärzte bei der Behandlung von Augenkrankheiten und Blindheit sehr erfolgreich sind. Mir geht es nur um eine einzige Heilbehandlung, Herrlichkeit. Die der ›Leseblindheit‹. Wenn ich bescheiden um Aufklärung darüber bitten dürfte.«
»Mein Oberster Arzt Reshef wird dich darüber informieren. Als Gegenleistung wirst du ihm den Code mit den dreißig Zeichen erklären, damit er ihn sich einprägen kann und mir die Mühe erspart, alles selbst lesen zu müssen.« Hatschepsut wandte sich an David. »Prinz von Lagasch, sobald du Ugarit erreichst, wirst du dafür sorgen, dass die seltenen Schätze, von denen du sprachst, sicher in meinen Palast in Theben gebracht werden. Ich habe vor, bei Sonnenaufgang nach Ägypten zurückzukehren, um mich um den Beginn der Bauarbeiten zur Errichtung einer neuen Stadt zu Ehren und zur Erhöhung meines göttlichen Vaters Amon-Re zu kümmern. Die Schätze aus Ugarit erwarte ich umgehend.«
David verbeugte sich. »So soll es geschehen, Herrlichkeit.«
Nach langem Schweigen ergriff Pharao Thutmosis wieder das Wort. »Der Prinz von Lagasch kann gehen, aber die Kanaaniterin bleibt als Geisel hier.«
»Wir haben doch die beiden jungen Prinzen«, wandte Hatschepsut ein. »Und ich habe mein Wort gegeben. Diese Frau ist ebenfalls frei.«
Als Thutmosis verärgert reagierte, sagte Hatschepsut: »Megiddo liegt in Schutt und Asche, Neffe, das Volk ist bezwungen, sein Geist gebrochen. Einträglich für Ägypten ist das nicht. Vielmehr sind es festgefügte Allianzen, die Ägypten stark machen. Wir werden Gesandte zu Shalaaman schicken und ihm Handelsvereinbarungen anbieten und Abgaben vorschlagen. Wir werden Priester entsenden, die unsere Götter nach Ugarit bringen. Minister und Landsleute, die sich dort ansiedeln werden. Zu ihrem Schutz werden wir darüber hinaus Soldaten abkommandieren. Jedenfalls werden wir in freundschaftlicher Absicht nach Ugarit ziehen.«
Damit verließ sie den Raum, gefolgt von ihren Höflingen, Priestern und Schreibern.
Missmutig wandte sich der Pharao an David: »Ich werde dich mit Briefen friedlichen Inhalts zurückschicken. Eine bewaffnete Eskorte wird dich begleiten, damit du sicher Ugarit erreichst.«
Wieder verbeugte sich David tief. »Deine Herrlichkeit ist über alle Maßen großzügig. Möge das Glück und wohlmeinende Geister jeden deiner Tage erfüllen.«
Thutmosis entließ ihn, um sich gleich darauf leise mit seinem dienstältesten General zu besprechen. Als David am Eingang des Zelts innehielt, um Leah den Vortritt zu lassen, schaute er sich noch einmal zum Pharao und dessen Offizier um. Bruchstücke ihrer jetzt lauter gewordenen Unterhaltung konnte er noch aufschnappen, ehe er Leah folgte.
Sobald sie draußen waren, rief Leah: »David«, aber bevor sie weitersprechen konnte, zog er sie einfach in die Arme und küsste sie leidenschaftlich.
Leah versank in seiner Umarmung, genoss die Nähe seines Körpers. Erst nach einiger Zeit flüsterte sie: »O David, du lebst, du hast Caleb besiegt. Ich hatte solche Angst um dich.«
»Du warst sehr tapfer und sehr klug vor der Königin. Das hat uns beide gerettet«, antwortete David. Er küsste sie erneut, dann sagte er: »Ich bin so froh, meine Liebste, dass ich dich wiederhabe. Es gibt so viel zu berichten.«
Sie berührte das verkrustete Blut an seinem Kopf. »David, du bist verletzt. Es war ein so harter Kampf. Lass mich die Wunde versorgen.«
Er bemerkte kaum, dass sie ihn von dem Platz vor dem Pavillon wegführte, wo Wachen standen, Soldaten warteten und ständig Boten ein und aus gingen. Fast unwillig wehrte er ab, als Leah mit ihrem Umhang die Wunde reinigte. »Leah, das ist nicht wichtig. Hör mich an.«
»Bestimmt hast du noch weitere Verletzungen …«
»Leah, mir geht es gut. Die kleinen Schrammen sind unbedeutend. Sie können warten. Hör zu, während der letzten vierzig Tage habe ich unendlich viel gesehen und begriffen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
Er umfasste Leahs Gesicht und sagte voller Inbrunst: »Ich habe eine Schlacht miterlebt und ein Meer von Schiffen gesehen. Und mitten in diesen Ereignissen wurde mir klar, dass ich meine Aufgabe bisher falsch verstanden hatte. Längst hätte ich Yehudas korrupte Machenschaften entlarven müssen. Ich war ein Narr anzunehmen, es geschehe zum Schutz der Bruderschaft, wenn ich mich darüber ausschweige. Hätte ich ihn bloßgestellt, als du darum batest, hätte ich sowohl deine Familie als auch die Bruderschaft gerettet. Wie blind ich doch
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