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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ihre Abneigung gegen die Ägypter stammte, wusste Avigail dagegen sehr wohl.
    Aber gegen die Habiru …
    Es war fast so, als wäre sie mit einem Widerwillen gegen diese umherziehenden Nomaden geboren worden, weil er eher instinktiv denn begründet war. Darüber nachzudenken, versuchte sie erst gar nicht, weil bereits bei ihrem Anblick Ekel in ihr hochstieg. Wenn sie sich, was selten genug vorkam, in der Stadt aufhielten, ging man ihnen aus dem Weg und schloss die Fensterläden.
    Eigenartigerweise bedienten sich die Kanaaniter derselben Sprache wie die Habiru. Niemand wusste, warum das so war. Einer Legende zufolge hatte ein gewisser Sem die Große Flut überlebt, die die Götter ausgelöst hatten, um die Menschheit zu bestrafen. Sem hatte sich zusammen mit seinen Brüdern auf eine Arche gerettet und, als das Wasser zurückwich, das Zweistromland erreicht, wo er ein neues Geschlecht begründete, die Semiten, von denen die Kanaaniter abstammten. Es war Avigail nicht bekannt, wie oder warum die Habiru die Sprache der Semiten übernommen hatten; immerhin versetzte sie das in die Lage, sich in kanaanäischen Städten aufzuhalten.
    Avigail schüttelte ihre brütenden Gedanken ab. Da war sie ja endlich, Elias’ Sänfte! Auf den Schultern sechs starker Sklaven und gefolgt von seinen Leibwächtern und dem persönlichen Diener des neuen Schreibers.
    Avigail eilte ihnen entgegen. Sie wollte so schnell wie möglich erfahren, was das Gespräch mit Thalos dem Minoer ergeben hatte. Als Elias ihr von Jothams neuester Übeltat berichtete, hielt sie ihm die eben eingetroffene Nachricht entgegen. »Das hier dürfte unsere Rettung sein! Ein Ehemann aus dem Hause meiner Cousine in Sidon dürfte Jothams Plan vereiteln. Zumal meine Cousine wohlhabend ist und viele treue Freunde hier in Ugarit hat.«
    Sie begaben sich in die Empfangshalle, in der Leah damals Muschelsuppe auf Jothams Schoß verschüttet hatte. Avigail ließ Wein und Honigkuchen auftragen und ihre Schwiegertochter sowie die drei Enkeltöchter rufen. Alle sollten beim Verlesen des Briefes der Cousine zugegen sein.
    Als Leah, jetzt in sauberen Gewändern und einem Schleier über dem sorgfältig frisierten Haar, eintrat und auf einem ausladenden Sitzkissen Platz nahm, entging ihr nicht, wie der neue Schreiber sie anstarrte und sein Begleiter raunte: »Und die habe ich Sklavin geheißen. Eine Tochter des Hauses!«
    Sie tauschte einen Blick mit David und schlug dann, plötzlich befangen, die Augen nieder. Was war denn nur so besonders an dem neuen Schreiber?
    Auf dem Rückweg, nach dem Besuch bei Jotham, hatte Elias ihn in die Schwierigkeiten der Familie eingeweiht. »Als unser persönlicher Schreiber sollst du wissen, wie es um uns steht. Ich nehme an, dass die Schriftgelehrten in Lagasch nicht anders als die in Ugarit schwören, Diskretion zu wahren, du folglich anderen gegenüber kein Wort über unsere familiären Angelegenheiten verlierst.« Als David jetzt Leah über den Tisch hinweg musterte, sagte er sich: Das ist also die Urheberin einer Feindschaft, die sehr wohl zum Ruin von Elias dem Winzer führen kann.
    Er musste daran denken, wie Jotham getönt hatte, er werde das Mädchen zu seiner Dienerin der Lust machen, und empfand unwillkürlich Mitleid mit ihr.
    Alle wandten ihre Aufmerksamkeit Avigail zu, die den Ehrenplatz einnahm. Da alle Anwesenden zur Familie gehörten oder hauseigene Bedienstete waren, brauchte sich keiner hinter den Wandschirm zurückzuziehen. Kaum waren Hannah, Esther und Tamar hinzugekommen – nur noch Rakel fehlte, aber die ruhte sich nach ihrem Besuch im Haus des Goldes aus – und hatten Sklaven begonnen Wein auszuschenken, händigte Avigail David die Nachricht der Cousine aus.
    Auch über die einzelnen Familienmitglieder hatte Elias David auf dem Heimweg aufgeklärt. Das also war Avigail, die Großmutter. Sie war klein und rundlich, wohingegen die Mutter – Elias’ Ehefrau Hannah – zwar ebenfalls mollig, aber hochgewachsen war und dieses Merkmal ihren drei Töchtern, vor allem der ältesten, Leah, vererbt hatte.
    David musterte die Ehefrau seines neuen Dienstherrn. Ihr verschatteter Blick verriet Traurigkeit, die bei dieser so gutaussehenden Frau wie angeschminkt wirkte. Er konnte sich vorstellen, dass sie eine gefügige Ehefrau war, es aber auch verstand, ihren Mann auf ruhige, besonnene Art zu beraten. Ein zänkisches Weib war sie bestimmt nicht. Den Ton gab sie in der Familie jedenfalls nicht an.
    Es war zweifellos Avigail, Elias’

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