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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sah Avigail erwartungsvoll an.
    Sie begann zu diktieren. Wieselflink bewegte sich Davids Hand über den feuchten Ton, drückte den Stift hinein, zeichnete vertikale, horizontale und schräge Striche, die in Dreiecken endeten. Zwischendurch nahm er das Rohr hochkant, um nur das dreieckige Ende in den Ton zu drücken. So schnell war er, dass seine Hand, sobald Avigail eine Pause einlegte, kurz darauf ebenfalls innehielt. Elias war beeindruckt, wie anstellig sich sein Schreiber erwies, andere aus der Familie waren hingegen weniger begeistert. Als Avigail diktierte: »Bitte schick uns zwei Söhne. Ein Brautpreis entfällt. Stattdessen werden wir entrichten, was immer du forderst …«, fühlte sich Leah tief beschämt, und Tamar kochte innerlich vor Wut.
    Ihre Großmutter hatte vor, Ehemänner
zu kaufen.

    »Bedaure, Meister«, sagte Nobu, »aber ohne Feuer, um den Lockenstab zu erhitzen, krieg ich das nicht besser hin.«
    David schaute prüfend in den Kupferspiegel. Nobu hatte sich darauf beschränken müssen, sich die Löckchen um den Finger zu wickeln und sie mit Öl zu festigen. Den Kopf nach rechts und nach links wendend, um zu überprüfen, dass die goldenen Spangen, mit denen die Löckchen im Nacken befestigt waren, in einer Linie ausgerichtet waren, musterte David jetzt das gekräuselte schwarze Haar, das von seiner Stirn aus über den Schädel nach hinten gekämmt war. Auch daran konnte man noch etwas verbessern. Außerdem musste sein Bart in Form gebracht werden. Aber Wasser, um die Seife aufzuschäumen, war ihnen nicht gebracht worden.
    »Und was ist mit deinem Bad?«, maulte Nobu, während er Rasierklinge und Schere wieder in dem Kistchen mit den Barbierutensilien verstaute. »Sauberkeit hat mit Selbstachtung zu tun, und daran mangelt es den Kanaanitern eindeutig. Ebenso wie an Höflichkeit und Etikette, Tugenden, auf die wir aus Lagasch stolz sind. Alle in diesem Haus scheinen uns vergessen zu haben!«
    David erhob sich von seinem Schemel und begab sich zu einer Wandnische, in der eine Öllampe brannte. »Bring mir den Gott«, sagte er. »Ich muss beten.«
    Nachdem David den Brief in den Ton geritzt hatte, war die Tafel im Brotofen gehärtet worden. Kaum dass sie abgekühlt war, hatte sich Avigail, die Herrin des Hauses, aufgemacht, überzeugt, sie würde eine Karawane finden, die den Brief auf schnellstem Wege nach Damaska bringen würde. Reichlich zerstreut hatte Elias David in sein Aufgabengebiet eingewiesen und gesagt, der Erste Verwalter würde ihnen ihre Unterkunft für die nächsten zwölf Monate zeigen. Wenn David an die finanzielle Bedrohung durch den Schiffbauer dachte, kamen ihm allerdings Bedenken, ob er und Nobu heute in einem Jahr noch einen Dienstherrn haben würden, von einer Unterkunft ganz abgesehen.
    Sein neues Zuhause bestand lediglich aus einer kleinen Kammer, sechs Schritt breit, sechs Schritt lang. Das Bett war schmal, die schlichte Holztruhe für seine persönliche Habe nicht einmal lackiert. Und lediglich vier Holzzapfen an der Wand für seine Kleider. Für David war das nicht weiter schlimm. Allen Schriftgelehrten war nach Abschluss ihrer Ausbildung eine einjährige Lehrzeit auferlegt, erst danach konnten sie sich selbständig machen. Auch Ärzte und Anwälte mussten sich im Anschluss an ihr Studium im Dienst für andere erniedrigen, bevor sie Schilder aufhängen durften, die sie als eigenständige Geschäftsleute auswiesen.
    »Ich habe Hunger«, grummelte Nobu, als er die Shubat-Figur aus seinem Kästchen entnahm und David brachte. »Gastfreundschaft ist für Kanaaniter wohl ein Fremdwort, wie?«
    »Hab doch ein Einsehen«, sagte David und nahm den Gott in Empfang. »Wir sind zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt hergekommen. Außerdem sind wir Dienende, keine Gäste.«
    »Aber was wird jetzt aus dir, Meister? Der Mann, der sich bei der Bruderschaft für dich verwenden wollte, ist nicht mehr da. Und dein neuer Dienstherr scheint sich in Windeseile Feinde zuzulegen!«
    »Ich werde wohl umplanen müssen.« Ehrerbietig platzierte er die kleine Shubat-Statue in die Wandnische. »Um vor Ablauf meines Lehrjahrs einen neuen Dienstherrn zu finden.« Nur wie? David war in Ugarit fremd, und um in die Bruderschaft der Schriftgelehrten aufgenommen zu werden, kam es darauf an, wen man kannte. Unter den gegebenen Umständen Freundschaften anzuknüpfen würde schwierig sein.
    Wenn es nur nicht zum Zerwürfnis mit seinem Vater gekommen wäre! Der König von Lagasch hatte in Ugarit Freunde und

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