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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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antwortete.
    Die Villa war ein weiträumiges Labyrinth – Korridore, Türen, Säulen, unvermutet auftauchende Gärten und Pfade, die nirgendwo hinführten, so als ob im Laufe von Generationen die jeweiligen Bewohner willkürlich mal hier, mal dort Erweiterungen durchgeführt hätten. Was für ein riesiges Haus für eine derart kleine Familie, wunderte sich David. Als in Lagasch bekannt geworden war, dass in der Hafenstadt Ugarit eine Epidemie wütete, hatte Davids Vater, der König, täglich den Göttern ein Opfer dargebracht und sie angefleht, die bösen Geister jenes Fiebers daran zu hindern, sich den Euphrat flussabwärts entlang einzunisten. Sein Flehen war erhört worden. Die Städte im Osten von Ugarit waren verschont geblieben, während in Ugarit jede Familie Tote zu beklagen hatte. Schon deshalb hatte David Verständnis dafür, dass die Großmutter bestrebt war, dieses Haus hier wieder mit mehr Leben zu erfüllen.
    Er wollte gerade rufen, um auf sich aufmerksam zu machen, als er Stimmen hörte – die dunkle eines Mannes und die hellere einer Frau.
    Er ging ihnen nach, gelangte in eine Halle, um die sich Säulen zogen, deren bemalte Kronen Blumen ähnelten, bis er merkte, dass die Stimmen aus einer offenen Tür kamen. Sobald er die seines neuen Dienstherrn erkannte, trat er näher, um Elias zu bitten, ihm einen Hausangestellten in seine Unterkunft zu schicken.
    Als er sah, dass zu Füßen des Stuhls, auf dem Elias saß, das Mädchen namens Leah kniete, das Gesicht zum Vater erhoben, blieb er wie angewurzelt stehen. »Tochter«, sagte Elias gerade voller Wehmut, »in meinen neununddreißig Lebensjahren habe ich eins gelernt: dass Liebe kostbarer ist als Gold. Ohne Liebe sind wir nichts. Und ich meine nicht nur die Liebe eines Vaters für seine Tochter – die in meinem Herzen unermesslich ist, denn du bedeutest mir unendlich viel, Leah. Ich meine auch die Liebe zwischen Mann und Frau. Meine Liebe für deine Mutter reicht weiter als bis zu den Sternen. Sie wird die Zeit selbst überdauern. Und ich bete dafür, dass eines Tages auch du, Leah, eine solche Liebe erfährst. Dass du einem Mann begegnest und dein Herz dir sagt, dass eure beiden Seelen eins sind. Wenn dieser Tag kommt, wirst du verstehen, dass ich niemals ein Versprechen, das ich deiner Mutter gegeben habe, brechen kann. Ganz gleich, was Jotham uns antut – es ist ohne Bedeutung im Vergleich zu dem Unheil, das ich anrichten würde, wenn ich das, was ich der Frau, die ich liebe, versprochen habe.«
    Wie ein selbstbewusster Staatsmann saß Elias in seinem Armstuhl, während das Mädchen, das auf dem Boden kniete und ihren Körper an seine Beine schmiegte, so schmal wirkte, so verletzlich. Ihr dem Vater zugewandtes Gesicht war tränennass. »Aber Vater, ich bin doch bereit, Jotham zu heiraten. Du brauchst dein Wort nicht zu brechen.«
    »Liebes Kind.« Zärtlich legte Elias die Hand an die Wange seiner Tochter. »Ich habe deiner Mutter versprochen, dich hierzubehalten. Wenn ich dich gehen lasse, breche ich dieses Versprechen. Außerdem befürchtet deine Großmutter, dass die Fallsucht Jotham im Blut liegt. Hab keine Angst, Leah, und vertrau auf die Götter. Alles wird sich zum Guten wenden. Jotham kann nicht ewig so weitermachen. Finanziell wird selbst er an seine Grenzen stoßen. Und ich habe noch Freunde. Nein, widersprich mir nicht.« Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Ich bin dein Vater, Leah. Mir kommt es zu, dich zu beschützen. Was über uns hereingebrochen ist, ist nur ein Sturm, der vorbeiziehen wird. Du wirst schon sehen.«
    Als Leah zusammensank und schluchzend ihr Gesicht in seinem Schoß barg, trat David lautlos den Rückzug an. Endlich hatte er begriffen, wie alles zusammenhing. Aus Liebe hatte Elias seiner Frau ein Versprechen gegeben. Und jetzt war er hin- und hergerissen zwischen Familienehre und der Liebe zu seiner Frau.
    Er setzte seinen Weg durch die Säulenhalle fort. Seine Schwestern, die vier Prinzessinnen von Lagasch, kamen ihm in den Sinn, verzogene und verwöhnte Geschöpfe, deren Heiraten arrangiert worden waren. Obwohl sie bereitwillig in reiche und privilegierte Häuser übergewechselt waren – Königstöchter mussten ausschließlich innerhalb des Hochadels verheiratet werden –, bezweifelte er, dass sie dort die Liebe fanden, von der Elias gesprochen hatte, und ebenso bezweifelte er, dass sie zugunsten ihrer Familien persönliche Opfer bringen würden.
    Warum musste er eigentlich plötzlich an Schwestern und

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