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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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den Bottichen, an denen sie arbeiteten, indigoblau gefärbt waren.
    Das war die Geburt seiner Blauen Teufel gewesen – unsichtbare Dämonen, die in Abständen in seinen Körper eindrangen und ihm das Leben zur Qual machten.
    Was die Teufel weckte, wusste er nicht. Nur dass ihm der Schädel brummte und er keine Luft bekam, wenn sie Besitz von ihm ergriffen. Was sie vertrieb, war einzig und allein das an Schweine erinnernde jämmerliche Quieken. Einmal waren sie ein Jahr lang weggeblieben, und er hatte sich gefragt, ob sie es etwa leid wären, ihn zu quälen, und sich verzogen hätten. Aber dann waren sie wieder wach geworden und hatten, heißhungrig, wie sie waren, nicht eher von ihm abgelassen, als bis sie das schweinegleiche Quieken sieben Nächte lang hintereinander vernommen hatten. Das war in Jerusalem gewesen. Er hatte Huren aufgegabelt, jeden Abend eine andere, und war mit ihnen auf die Felder gegangen, um sie dort seinerseits zum Quieken zu bringen. In der siebenten Nacht, nachdem er das siebente »Ferkel« verscharrt hatte, klärte sich sein Kopf, er konnte wieder atmen und wusste, dass die blauen Teufel verschwunden waren.
    Bei einem Bauernhof außerhalb von Sidon hatte er haltgemacht, um Wasser aus dem Brunnen zu trinken. Ganz plötzlich, ohne Vorwarnung, waren die Blauen Teufel wieder über ihn hergefallen. Deswegen hatte er den Bauern und seine Familie erschlagen. Erst als die kleinen Mädchen, die jüngsten Töchter des Bauern, unter seinem grausamen Griff aufquiekten, zogen die Teufel wieder ab. Und er musste weglaufen, war einmal mehr auf der Flucht.
    Heute Abend waren es nicht die Blauen Teufel, die ihn auf der Suche nach einem Opfer in eine Hafenkneipe trieben. Er brauchte einen neuen Namen, einen neuen Unterschlupf. Im Laufe der Jahre hatte er sich alle möglichen Namen zugelegt, zu viele, um sie noch zu wissen. Heute Abend würde es nicht anders sein. Er stand in der Türöffnung und musterte durch das rauchgeschwängerte matte Licht die wenigen Gäste. Er musste sich sein Opfer wohlüberlegt aussuchen, damit ihm seine neue Identität dazu verhalf, möglichst viele zum Narren zu halten, vor allem die Behörden. Und nicht nur einen Namenswechsel musste er vornehmen, sondern auch sein Äußeres verändern. In den letzten Jahren hatte er sein Haar mal lang getragen, dann mal wieder kurz gestutzt, er hatte sich rasiert oder einen Vollbart gehabt, hatte an Gewicht zugelegt oder verloren. Das erinnerte ihn an etwas, was er einmal auf einem Markt gesehen hatte, auf dem Straßenkünstler für Kupferringe die Menge unterhielten. Ein Magier hatte eine braune Eidechse vorgeführt, die, als er sie auf ein grünes Blatt gesetzt hatte, grün geworden war! Als Chamäleon hatte der Magier das Tier bezeichnet. Genau das bin ich auch, dachte er, als er die Gäste musterte – einige waren zu dünn, zu klein, zu dunkelhäutig –, ich bin ein Chamäleon.
    Das Einzige, was er nicht verändern konnte, war die Narbe über seiner linken Braue, wo eines seiner »Ferkel« ihn gebissen hatte.
    Als sein scharfer, abwägender Blick auf einen lautstarken Angeber hinten in der Taverne fiel, verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln.
     
    »Eins kann ich euch sagen, Leute«, prahlte der Reisende aus Damaska, »es gibt auf der ganzen Welt keinen größeren Glückspilz als mich! Da betraure ich den Verlust meiner Ehefrau und obendrein den Verlust meines Lebensunterhalts, weil es ihr Tuchhandel war und nach ihrem Tod an ihre Brüder zurückfiel – na, ich beklage also mein trauriges Schicksal, als für meine Schwester ein Brief aus dieser Stadt hier mit der Bitte eintrifft, sie möge doch Ehemänner für die Töchter einer entfernten Cousine schicken! Einer sehr reichen Cousine, wenn ich hinzufügen darf«, berichtete Caleb unbekümmert und gab dem Mädchen an der Theke einen Wink, Nachschub an Wein zu bringen.
    Es war nicht das Mädchen, das den Krug und einen neuen Becher servierte, sondern ein bärtiger Fremder mit lederner Haut und verschatteten, tiefliegenden Augen. Er trug einen Umhang, der eher aussah, als könnte er ihn sich nicht leisten. »Deine Geschichte gefällt mir, Freund«, sagte der dunkelhäutige Fremde zu Caleb, als er den Krug vor ihn hinstellte, sich gegenüber auf einen Hocker setzte und anfing, Käse, Nüsse, Oliven und Brot von dem niedrigen Tisch zwischen ihnen zu essen.
    Caleb aus Damaska ließ ihn gewähren. Sobald er sich in seinem neuen Zuhause am Fuße der Berge niedergelassen hätte, würde er

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