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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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versetztes Haarwaschmittel verhindere Schuppenbildung.
    »Heute Abend wäre mir ein dünneres Kopftuch lieber«, sagte sie, als die Zöpfe geflochten waren. »Das für den Winter ist mir beim Schlafen zu heiß. In der Truhe dort drüben, Liebes, dort findest du meine Sommertücher.«
    Rakels Kammer war mit einem Bett ausgestattet, mit Holzhaken an der Wand für die Kleidung, mit Nischen für Götter und Lampen, mit mehreren großen Holztruhen, in denen die alte Frau ihre gesamte Habe aufbewahrte. »Nein, Liebes, keines von denen«, sagte sie, als Leah den Deckel einer Truhe aus Zedernholz hob. »Bei diesem warmen Wetter ziehe ich das aus Leinen vor.«
    Leah öffnete eine weitere Truhe, eine aus Ebenholz mit eingelegtem Elfenbein. Wunderschöne, sorgfältig zusammengefaltete Gewänder kamen zum Vorschein, dazu Schmuck und goldene Becher.
    »Es müsste ganz unten sein«, sagte Rakel und befingerte ihre Zöpfe, um sich zu vergewissern, dass keine Haarsträhne übersehen worden war.
    Leah machte sich zwischen Kleidern und Schleiern und Umhängen an die Suche. Ein Leinentuch fand sie nicht, dafür stieß sie, unter lederne Pantoffeln geschoben, auf Tontafeln. Es sah beinahe so aus, als wären sie hier versteckt worden. »Tante Rakel«, begann sie vorsichtig und nahm eine der Tafeln aus der Truhe, »kannst du mir sagen, was das hier ist?«
    Rakel spähte durch das milde Lampenlicht, schüttelte dann den Kopf.
    »Könnte das die Rezeptur für eine Medizin sein?«, bohrte Leah weiter und versuchte, sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen.
    »Keine Ahnung. Warum gehst du damit nicht zu dem neuen Schreiber und lässt dir vorlesen, was darauf steht. Ich würde es auch gern wissen.«
    Leah nahm nur allzu gern jede Gelegenheit wahr, David aufzusuchen. Auch wenn er seiner Position nach ein Bediensteter war, floss in seinen Adern königliches Blut. Er war ein Prinz und verfügte über eine höhere Bildung als der, dem er diente! Angehende Schriftgelehrte, Ärzte und Anwälte genossen während ihrer Lehrzeit einen besonderen Status in den Häusern von Ugarits Oberklasse und wurden eher wie Familienmitglieder behandelt. David zum Beispiel pflegte abends zusammen mit Elias und seiner Familie zu speisen, er nahm an ihren täglichen religiösen Ritualen teil und wurde allein schon durch seinen Beruf in alles mit einbezogen, was privat und geschäftlich besprochen wurde. Weshalb Leah mindestens einmal, oft sogar mehrmals täglich mit ihm zusammentraf.
    Irgendwann während der letzten beiden Monate war der Samen der gegenseitigen Anziehung gelegt worden, vielleicht bei jenem ersten Zusammentreffen in dem kleinen Garten, als sie zwischen Unkraut und Kies auf dem frisch begrünten Fleckchen gestanden hatten. Seither war dieser Samen durch zufällige Begegnungen, Lächeln oder Grußworte gewässert worden, sie hatten sich besser kennengelernt, waren sich nicht mehr so fremd, hatten sich sogar ein wenig angefreundet, bedeuteten einander mehr als nur Bekannte, aber weniger als Familienmitglieder. Nach und nach und ähnlich einem Setzling, der zu einem Schössling wird, hatte sich eine respektvolle Zuneigung entwickelt, und es konnte vorkommen, dass sie sich, wenn sie zum Essen auf Sitzkissen Platz nahmen und sich mit dem bedienten, was auf dem kleinen Tisch stand, stillschweigend durch Blicke verständigten – ob das nun etwas Witziges war, was ihr Vater und die Großmutter an Ratsch und Tratsch zu berichten wussten, oder wenn Tante Rakel ein leiser Wind entfuhr. Dann warfen sich David und Leah einen amüsierten Blick zu. Kurze Momente über zwei Monate hinweg, die sich, wie es Leah vorkam, aneinanderreihten wie Perlen an einer Kette, bis sie auf einmal ständig an ihn dachte und spürte, dass die Saat der Zuneigung in ihr wuchs und erblühte. Durfte sie hoffen, dass es bei David ebenso war?
    Ausgeschlossen, dass sie sich die Freude auf seinem Gesicht, wenn sie sich überraschend auf einem Flur begegneten, nur einbildete, dieses unwillkürliche »Oh!«, sein strahlendes Lächeln, sein verlegenes Zögern, sein unwillkürliches Erröten. Bestimmt machte sein Herz einen ebensolchen Satz wie ihres, wenn sie ihn erblickte. Ob er wohl auch nachts an sie dachte, wenn er im Bett lag und auf den Schlaf wartete? Betete er zu Shubat, er möge sie beschützen, so wie sie zu Asherah betete, über ihn zu wachen?
    Als sie die steinerne Treppe hinauf aufs Dach stieg, weil sie wusste, dass David dort gern die Sterne beobachtete, hoffte sie, dass ihr

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