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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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mehr als genug zu essen haben. Er schenkte sich aus dem neuen Krug ein, trank einen gehörigen Schluck und sagte dann zu dem Fremden: »Meine Geschichte ist in der Tat bemerkenswert! Vor dir sitzt ein Mann, dem ein angenehmes Leben bevorsteht. Alles, was ich tun muss, ist, eine der Töchter zu heiraten und ihr ein Kind zu machen, um die Vorteile einzuheimsen, der Schwiegersohn eines reichen Mannes zu sein.«
    Der Seemann war ein aufmerksamer Zuhörer. Als Caleb keinen Wein mehr hatte, opferte er seinen letzten Kupferring, um Nachschub anzufordern. Caleb nahm seine weitschweifende Geschichte wieder auf. »Sie wissen nicht einmal, dass ich komme! Ich habe meine Schwester überredet, nicht zu antworten. Warum sie vorzeitig darauf hinweisen, dass ich ein Witwer ohne Perspektive bin? Ist doch besser, wenn ich bei ihnen auftauche und ihnen keine Chance gebe, mich abzuweisen. Man hat mir gesagt, das das Haus des Elias am Rande eines der üppigsten Weinberge von Kanaan entlang der nach Süden führenden Straße steht. Dort werde ich gleich morgen früh hingehen und an die Tür klopfen.«
    Während Caleb weiterhin dem Wein zusprach, wobei er den Becher mit beiden Händen umfasste, weil er bereits zittrig wurde, dachte der Flüchtige eingehend über das eben Gehörte nach. Er stellte fest, dass der Prahler nur wenige Jahre älter war als er selbst. Zwar nicht so breitschultrig wie er, dafür dicht behaart, und dass er mit einem Akzent sprach, der leicht nachzumachen war. Der Flüchtige aus Sidon grinste. »Erzähl mir mehr von dir, mein Freund. Du scheinst mir ein interessanter Bursche zu sein.«
    Der Mann aus Damaska, Caleb, der vormalige Tuchhändler, berichtete dieses und jenes, erwähnte Namen, Orte und Ereignisse, sprang zeitlich beim Erzählen hin und her. Seine Sprechweise wurde zusehends schleppender, seine Zunge stolperte über Wörter. Schließlich schielte er sein Gegenüber an und sagte: »Ich bin betrunken.«
    Der Seemann grinste und stand auf – ein großer Mann mit Schultern wie ein Ochse und Hände wie Bratpfannen. So kam es zumindest Caleb vor, der bereits doppelt sah. »Danke, mein Freund«, sagte er, als er schwankend die ausgestreckte Hand drückte. »Gut, dass ich in einem Gasthaus gleich vier Türen weiter übernachte. Im Obergeschoss. Wenn du mir in mein Zimmer hilfst, belohne ich dich mit einem goldenen Ring. Ab morgen werde ich goldene Ringe im Überfluss haben!«
    In der Gasse hinter der Taverne, einem schmalen Durchgang zwischen zwei Gebäuden, in den kein Licht von den Sternen oder dem Mond drang, blieb der Mann, der auf der Flucht war, unvermittelt stehen, so dass Caleb mit ihm zusammenprallte. »Ich muss mich erleichtern«, sagte er, und während Caleb auf unsicheren Beinen wartete, zog der Mann aus Sidon – der mehr Menschen erschlagen hatte, als er aufzählen konnte – ein Messer aus seinem Gurt. Caleb blinzelte, meinte, zwei Messer zu sehen. »Oh …«, hob er an.
    »Womit fängt man beim Schlachten eines Schweins an?«, fragte der Fremde grinsend. Keine Blauen Teufel trieben ihn in diesem Augenblick; er tötete auch gern um des Tötens willen. Der Junge, der einst hilflos in einem Käfig gehockt hatte, hatte als Mann hin und wieder das Bedürfnis, Macht zu verspüren. Er ließ Caleb vor sich niederknien und um sein Leben flehen. Um zu vermeiden, dass es zu lange dauerte und man sie möglicherweise entdeckte, schlitzte der Seemann den Hals des Mannes aus Damaska von Ohr zu Ohr auf, langsam genug, um ihn das ganze Ausmaß an Entsetzen darüber, dass er sein Leben verlor, spüren zu lassen.
    Anschließend befreite der Flüchtige die Leiche von Geldbeutel und Ringen, nahm auch Calebs schönen Umhang an sich, begab sich vier Türen weiter und stieg dort die Treppe hoch. Wenn ein Mann so dumm ist, sagte er sich, sich in einer Taverne vor Fremden mit seinem Glückstreffer zu brüsten, geschieht es ihm recht, wenn er umgebracht wird.
    Im Zimmer im oberen Stockwerk schnarchte auf einer Pritsche Calebs persönlicher Diener. Ein rasches Knacken des Nackens, und der Mann war tot.
    Jetzt ließ sich der Seemann Zeit, Calebs Gepäck in Augenschein zu nehmen. Die erlesenen Kleider, den Schmuck. Als er verschiedene Sachen anprobierte und sich darin wohlfühlte, wiederholte er für sich die Namen und Orte und Begebenheiten, von denen Caleb getönt hatte, und prägte sie sich im Gedächtnis ein, um bei Bedarf darauf zurückgreifen zu können. Wer konnte schon wissen, was Elias der Winzer über entfernte

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