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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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notgedrungen mit hier ansässigen ägyptischen Exporteuren verhandeln, und wenn er dann nach Hause kommt, sagt er, er fühle sich besudelt.« Hadars Ehemann besaß das Monopol auf den Purpurextrakt einer seltenen Meeresmuschel und war dementsprechend wohlhabend und angesehen. Seine Frau war Ziras enge Freundin und ihr eine zuverlässige Unterstützerin in lokalpolitischen Angelegenheiten.
    Zira warf erneut die Stäbchen, las die an ihnen eingeritzten Zahlen ab und rückte ihren Stein auf dem Spielbrett vor. Die beiden Frauen hielten sich in Hadars Villa in den Bergen auf, wo immer wieder eine kühlere Brise die sommerliche Hitze erträglich machte. Trotz der hohen Temperaturen und obwohl ihr Ehemann längst bei den Göttern war, war Zira wie immer in Schwarz gekleidet.
    »Wenn wir schon bei Geschmacklosigkeiten sind«, merkte Hadar wohlüberlegt an, »ich habe aus dem Hause des Elias die Einladung zu einer Hochzeit erhalten.« Mehr sagte sie nicht, um erst einmal Ziras Reaktion auf diese Mitteilung abzuwarten.
    Die beiden Freundinnen knabberten knusprige Brandteigkekse, die mit süßer Mandelpaste gefüllt waren. Zira hob einen an ihre vorstehenden Zähne, die unwillkürlich an die eines Esels denken ließen, und biss genüsslich davon ab. Kaute, schluckte, nahm einen Schluck Wein und sagte dann: »Diese Familie hat meinem armen Bruder endlosen Kummer bereitet. Kann man sich so etwas vorstellen? Erst eine Tochter zur Heirat anbieten und dann einen Rückzieher machen?
Nachdem
man hingenommen hat, dass das Mädchen sich uns gegenüber respektlos verhält, und ohne das Mädchen
danach
anzuhalten, sich zu entschuldigen.«
    »Eine Beleidigung nach der anderen«, murmelte Hadar. »Wohin soll das führen, wenn störrischen Mädchen eine eigene Meinung zugestanden wird?«
    Zira tippte sich an das knochige Kinn. »Bei Asherah! Was auch immer Männer untereinander aushandeln, Avigail jedenfalls hätte sich bei mir entschuldigen müssen. Sie hätte mich aufsuchen und mir im Beisein anderer Frauen ins Gesicht sagen müssen, dass ihr die Kränkung, die sie mir an jenem Abend zugefügt hat, leidtut. Ist ihr denn nicht klar, mit wem sie es zu tun hat?«
    Zira war stolz darauf, mit Em Yehuda angesprochen zu werden, und noch stolzer war sie, dass ihr Sohn der nächste Anwärter für das Amt des Rabs der Bruderschaft der Schriftgelehrten war. Hatten nicht die beiden letzten Könige ihren Weg auf den Thron über die Bruderschaft gemacht? König Yehuda von Ugarit. Das hatte einen guten Klang.
    Über ihr Gesicht flog ein Schatten.
Vorige Nacht war sie von dem eindringlichen Schrei ihres Sohnes geweckt worden.
    Als Mitglied der Bruderschaft musste Yehuda nicht in den Räumen der Schriftgelehrten nächtigen, sondern durfte seinen Wohnsitz selbst bestimmen. Keiner machte ihm einen Vorwurf, dass er die Villa seines Onkels bevorzugte, eine der schönsten Residenzen in Ugarit mit freiem Blick aufs Meer. Letzte Nacht war Zira in das Zimmer ihres Sohnes gestürzt und hatte ihn auf dem Boden liegend vorgefunden, zähneknirschend und mit Armen und Beinen rudernd. Ein speziell in der Pflege solcher Kranker geschulter Sklave hatte neben ihm gekniet und dafür gesorgt, dass er sich nicht die Zunge abbiss oder anderweitig verletzte. Es brach Zira das Herz, ihren einzigen Sohn einem derartigen Anfall ausgesetzt zu sehen. Yehuda war dreißig Jahre alt, hochgewachsen und eigentlich recht gesund. Nur wenn ihn die Fallsucht überkam, war er hilflos wie ein Säugling, beschmutzte sich, war nicht in der Lage, seine Gliedmaßen zu kontrollieren. Sobald der Anfall vorüber war, fiel er in einen tiefen Schlaf, aus dem ihn lange Zeit nichts zu wecken vermochte.
    Das ist ungerecht!, hätte Zira am liebsten gerufen. Mein Sohn ist edelmütig und gut. Er sollte auf dem Thron von Ugarit sitzen. Weshalb ist er mit dieser schrecklichen Krankheit geschlagen? Und sie selbst – tat sie nicht ihr Menschenmöglichstes, um Yehudas Ansehen in der Öffentlichkeit zu fördern, um ihn bei den wahlberechtigten Familien Ugarits zu einem aussichtsreichen Kandidaten zu machen, nicht zuletzt dadurch, dass sie die Meinung vertrat, dass es von Vorteil sei, einen König zu bekommen, der des Lesens und Schreibens mächtig war, eine Fertigkeit, über die nicht einmal der beliebte Shalaaman verfügte?
    Aber sie presste die schmalen Lippen über ihren Nagezähnen zusammen. »Es versteht sich wohl von selbst«, sagte sie und nahm die Stäbchen wieder auf, »dass jeder, der an der Hochzeit

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