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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Immerhin war es ihr gelungen, ihre Gefühle für ihn für sich zu behalten. Und ganz bestimmt würde ihre Liebe für David erlöschen, wenn sie erst einmal verheiratet war und sich auf ihren neuen Ehemann konzentrieren musste.
     
    Die Sonne stand im Zenit, brannte auf die Dächer von Ugarit. Wegen der sommerlichen Hitze, die erdrückend, aber wichtig für das Trocknen der Tontafeln war, hatte David Umhang und Tunika abgelegt und trug lediglich einen Lendenschurz und Sandalen.
    Seine Tätigkeit wurde überwacht von der kleinen dunkelgrünen Shubat-Statue, die David ehrfürchtig auf einer niedrigen Mauer aufgestellt hatte.
    Womit beschäftigte sich David? Mit seinen Pfandscheinen, liebevoll gestaltet und beschriftet, wie es Tradition war, die er den Bürgern der Oberschicht von Ugarit anzubieten gedachte. Dieser Gedanke war ihm an dem Tag gekommen, da Caleb von Damaska vorstellig geworden war. Als David die Tafel, auf der die Identität des Mannes vermerkt war, beglaubigte, hatte er sich an die Pfandscheine erinnert, die in der Welt des Handels und Kommerzes sowie unter Männern von Rang und Ansehen gang und gäbe waren. Dreißig solcher Tafeln hatte er angefertigt, jede so lang wie ein Finger und drei Finger breit und alle mit dem gleichen Text in Keilschrift: »Die königliche Familie von Lagasch schuldet dem Inhaber dieser Tafel eine Gefälligkeit, die umgehend eingelöst wird.« Jede Tafel hatte David mit seinem Siegelring signiert, dem königlichen Wappen von Lagasch – den beiden geflügelten Engeln, die in der gesamten Geschäftswelt anerkannt waren. Das Kaufen und Verkaufen von Gefälligkeiten war in der Geschäftswelt allgemein üblich und förderte Handelsbeziehungen. Vor allem Davids Pfandscheine waren wertvoll – eine Gefälligkeit, die einem eine königliche Familie schuldete, war ein kostbarer Handelsartikel: Sie konnten beispielsweise an Karawanenführer auf dem Weg gen Osten für einen guten Preis verkauft werden. Und David wusste, dass sein Vater und König, auch wenn er sich mit ihm überworfen hatte, diese Pfandscheine einlösen würde.
    Er hatte vor, diese Tafeln bei seiner Suche nach einem Bürgen für die Aufnahme in die Bruderschaft zu verwenden. Sollte das Angebot eines einzigen Pfandscheins in Anbetracht der Drohungen Jothams nicht ausreichen, konnte er zwei oder drei mehr anbieten – ein Entgegenkommen, dem niemand widerstehen konnte.
    Er wollte unverzüglich bei den wohlhabenden, einflussreichen Familien in Ugarit vorsprechen, sich vorstellen, seine Situation erklären und als Gegenleistung für Unterstützung königliche Gefälligkeiten anbieten. Irgendjemand in Ugarit würde ihm bestimmt helfen!
    Er runzelte die Stirn. Was wäre, wenn diese Tafeln hier nicht ausreichten? Was, wenn das Stigma, Elias’ Schreiber zu sein, sogar für diese wertvollen Versprechen zu schwer wöge? Was sollte er nach Ablauf eines Jahres tun, wenn er erfolglos blieb?
    Ich werde sein wie ein Priester, der seinen Gott enttäuscht hat. So weit darf es nicht kommen. Bei Shubat, ich
werde
einen Weg in die Bruderschaft finden!
    Als es hinter ihm raschelte, drehte er sich um und erblickte Leah. Ihr weißes Kleid und der weiße Schleier hoben sich in der Hitze des Nachmittags leuchtend ab. Mit leicht geöffneten Lippen schaute sie ihn an. Sie hielt etwas in der Hand.
    Der vertraute Schmerz des Begehrens wallte wieder in ihm auf. Wie jedes Mal, wenn er sie sah, ihre Stimme hörte, ihr Lachen an sein Ohr drang. Wenn er geglaubt hatte, durch reine Willenskraft seine Gefühle für sie verbannen zu können, waren sie stattdessen nur noch intensiver geworden. Der Gedanke, Caleb werde sie bald besitzen, brachte sein Blut zum Kochen und ließ ihn sie umso mehr begehren. »Kann ich behilflich sein?«, fragte er. Um jetzt, da sie einem anderen versprochen war, Abstand von ihr zu gewinnen, gab er sich ihr gegenüber betont förmlich.
    Wie Geister schwirrten Lüftchen auf dem Dach am Fuße hoch aufragender grüner Berge herum. David sah, wie eine spielerische Brise an Leahs Schleier zupfte, so als wollte sie ihr Haar freilegen. Wie gern hätte er dieses Haar berührt, seinen Duft eingeatmet!
    »Dies hier ist gekommen.« Sie deutete auf die Tafel. »Der Bote sagte, es sei dringend, aber mein Vater ist nicht zu Hause …«
    »Ich werde die Nachricht lesen.« Er streckte den Arm aus.
    Sie kam näher, wie ein verschüchtertes Reh kam es ihm vor, und als sie ihm die quadratische Tontafel überreichte, war ihm, als begebe auch sie

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