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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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hinter ihrem linken Ohr bleiben wollte, so als wäre sie ein Inbild von Leah selbst – nicht unbedingt widersetzlich oder stur, aber eigensinnig und nicht zu bändigen. Wenn sie über ihrer Näharbeit saß, strich Leah in Abständen unbewusst die Strähne unter ihren Schleier zurück, und kurz darauf machte sie sich bereits wieder selbständig. Ja, genauso war Leah! Sich fügen wollen, gehorsam sein, aber nichts unversucht lassen. Unbewusst allem auf den Grund gehen wollen.
    Wenn er erblinden würde, würde ihm das fehlen.
    »Du zögerst, mein Sohn.«
    »Das ist aber auch eine schwierige Frage, Rabbi.«
    Der Alte nickte. »Bitte deinen Gott, dir beizustehen. Und was die Tafel anbelangt, die du auf ihre Echtheit hin überprüfen möchtest, geh selbst ins Archiv und such zum Vergleich ein Dokument heraus, das von demselben Mann unterzeichnet ist. Wenn du nicht fündig wirst, such dir im öffentlich zugänglichen Hof einen vertrauenswürdigen Anwalt.«
    David grinste. Beliebte der Rab zu scherzen? Anwälte genossen nun mal kein Vertrauen. »Hab Dank für die Zeit, die du mir eingeräumt hast, Ehrwürdiger Rabbi. Ich hoffe, abermals Gelegenheit zu einer Begegnung mit dir zu bekommen. Ich wünsche dir den Segen Dagons und Gesundheit für viele Jahre.«
    Der alte Mann lachte tatsächlich auf. Krächzend, aber fröhlich. »Sei gesegnet, mein Sohn, meine Tage sind gezählt. Vielleicht weist mein Nachfolger die Bruderschaft zurück auf den Weg der Ehre und Integrität.«
    David zögerte. Durfte er sich die Frage erlauben? War denn aber der Rab nicht selbst darauf zu sprechen gekommen? »Hast du bereits einen Nachfolger bestimmt?«
    »Heißt das, dass
du
eines Tages dieses Amt übernehmen möchtest?«
    In unbewusstem Stolz straffte David die Schultern. »Wie ich bereits sagte, Ehrwürdiger Rabbi, bin ich ein Prinz aus dem königlichen Haus in Lagasch. Siebzehn Jahre lang wurde ich in den namhaften Schulen am Euphrat ausgebildet. Ich beherrsche vier Sprachen, schriftlich wie mündlich, von Babylonisch bis Ägyptisch. Drei Versionen der Keilschrift sind mir geläufig, außerdem die Hieroglyphen, die klassischen wie die hieratischen. Ich hänge dem alten Gott Shubat an und habe mein Leben in seinen Dienst gestellt. Ich liebe meinen Beruf und halte an hohen moralischen Vorstellungen und Normen fest. Ich bitte dich, Ehrenwerter Rabbi, dass du mir gestattest, mich zu beweisen. Ich würde gern dazu beitragen, die Bruderschaft auf den rechten Weg zurückzuführen. Um dies zu erreichen, werde ich alles tun, um einen Fürsprecher zu finden, der sich für meine Aufnahme in diese Vereinigung verbürgt.«
    »Mein Nachfolger steht bereits fest«, sagte der Rab. »Kennst du einen Bruder namens Yehuda, den Sohn von Zira und Neffe von Jotham dem Schiffbauer? Er verdient es, meinen Platz einzunehmen. Obwohl mir kürzlich zu Ohren gekommen ist, dass Yehuda an der Fallsucht leiden soll. Sollte dies zutreffen, ist er für dieses Amt nicht geeignet. Sollte es sich jedoch nur um ein Gerücht handeln, muss ihm dieses Amt zufallen, ungeachtet dessen, welcher Abstammung und wie gebildet du bist, David von Lagasch. Denn Yehuda stammt aus Ugarit.«
    »Ich weiß von dem Gerücht«, sagte David enttäuscht. »Mit eigenen Augen habe ich nicht gesehen, dass Yehuda einen dieser Anfälle erlitten hätte.«
    Mit gekrümmten Fingern winkte der Alte David näher zu sich heran. »Mein Sohn, ich möchte dir etwas anvertrauen, was diese Wände nicht hören sollen.«
    Als David sich vorbeugte, flüsterte der Rab ihm etwas zu.
»Shubat!«,
war alles, was er mit angehaltenem Atem nur noch ausstoßen konnte.

    Hannah verabscheute den Sklavenmarkt.
    Den Kauf von Haushaltssklaven hatte sie bislang Elias überlassen. Sie setzte sich lieber dafür ein, dass sie sich im Laufe der Zeit freikaufen konnten. Obwohl es für einige von ihnen das einzige Leben war, das sie kannten, und obwohl Sklaverei auch die Strafe für ein Verbrechen sein konnte, war es für viele der einzige Ausweg aus bitterster Not. Für gewöhnlich waren es finanzielle Engpässe, die einen Mann zwangen, sich mit seiner Familie in die Sklaverei zu begeben, um mit dem Erlös des Verkaufs seine Schulden zu begleichen. Oder Väter hatten zu viele Töchter und verkauften die Mädchen, um sich dieser Belastung zu entledigen. Gründe gab es genug. Als sie an den Verschlägen mit den Männern, Frauen und Kindern vorbeiging, während der Sklavenhändler die Vorzüge dieses Mannes oder jenes Mädchens anpries, hatte

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