Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
festhielten, um nicht in die Maische zu fallen, trampelten auf den Trauben herum, auf und nieder und im Takt der Stöcke, die zwischen den Bottichen hockende Frauen und Kinder singend aneinanderschlugen.
In den Wirtschaftsgebäuden am Hang des Weinbergs herrschte emsiger Betrieb: Sklaven schleppten Körbe voller Trauben herbei, kippten den Inhalt in die hölzernen Zerstampfwannen. Im Hauptlager – einem Lehmziegelbau, der jeweils im Frühjahr frisch getüncht wurde – war Elias dabei, die für die Abfüllung bereitstehenden Amphoren zu zählen. David neben ihm notierte die Anzahl.
Die neue Ernte bereitete Elias Sorgen. Es war üblich, dass die reifen Trauben in Stampfbottiche gekippt wurden und die Maische anschließend in Fässern die erste Gärung durchlief, in wiederum anderen Fässern dann die zweite, bis das ausgereifte Produkt in Behälter abgefüllt wurde, die zum Versand an Kunden aus der Umgebung, an Karawanen oder Schiffe bereitstanden. Diese Vorgehensweise hatte sich bewährt, auch wenn sie bedingte, dass die Maische beziehungsweise der Wein bis zum Ende des Prozesses immer wieder umgelagert werden musste. Jetzt aber fehlten Elias Abnehmer für seine früheren Jahrgänge, die noch in den Kellern lagerten, damit für den neuen genügend Fässer zur Verfügung standen. Zwangsläufig hatte er bereits zusätzliche Amphoren gekauft (von Thalos dem Minoer, er hatte sie ihm diesmal sofort bezahlt, statt wie bislang auf Kredit – was angesichts seines von seiner eigenen Tochter gestohlenen Vermögens nicht leicht gewesen war!); aber wenn er seinen Kundenstamm nicht vergrößerte, würde er bald nicht mehr wissen, wohin mit seinem Wein.
Er dankte den Göttern für Kapitän Yagil, der als Einziger seine Weine noch die Küste entlang und über das Meer transportierte. Yagil war ehrenwert und nicht gut auf Jotham zu sprechen. Mit dem Gewinn aus diesen Exporten würde sich die Familie über Wasser halten können.
David, der den Restbestand an leeren Weinbehältern notierte, dachte weder an leere Amphoren noch an ein Zuviel an Wein. Seine Gedanken weilten bei Leah.
Wie sie an seiner Brust geweint, wie sie um Luft gerungen, wie sie in seinen Armen gezittert hatte! Zorn hatte ihn übermannt, eine blinde Wut, Caleb aufzuspüren und ihn umzubringen. Und jetzt, da dieser widerliche Schuft das Weite gesucht hatte, lästerte man in Ugarits besserer Gesellschaft über die verlassene Leah, wobei es sich anhörte, als läge die Schuld bei ihr, als sei sie die Böse – ein glücklicher Ehemann rannte nicht einfach auf und davon.
David wollte ihr und ihrer Familie helfen. Der Bruderschaft beizutreten war jetzt mehr als ein persönliches Ziel, sollte auch dazu beitragen, die Position dieser Familie wieder zu stärken. Als Rab werde ich erklären, dass Elias mein Freund ist und seine Familie meine Familie. Dann wird keiner mehr wagen, sich gegen sie zu stellen.
Mit diesem erneuerten Entschluss, der Bruderschaft beizutreten, ging auch der Vorsatz einher, sich nicht, wie von Yehuda nahegelegt, durch Schmiergeld in die einst ehrwürdige Gemeinschaft einzukaufen. Da er seine Laufbahn dort nicht mit unredlichem Verhalten beginnen wollte, suchte er seither verstärkt nach einem Bürgen.
Der Oberste Verwalter betrat das Lagerhaus und händigte seinem Herrn eine Tontafel aus, die soeben eingetroffen war. Elias gab sie an David weiter, der, nachdem er sie gelesen hatte, stirnrunzelnd sagte: »Dies ist eine Nachricht von Kapitän Yagil. Er teilt dir mit, dass er deine Waren nicht länger transportieren kann. Du sollst zum Hafen kommen und deine Amphoren wieder abholen.«
»Bei Dagon! Das kann doch nicht wahr sein!«, entfuhr es Elias. »Yagil ist bekannt dafür, dass er Wort hält. Und dass er Jotham nicht ausstehen kann. Er hat zugesagt, meine Weine mitzunehmen!«
»Ich bin ebenfalls überrascht, Herr, aber so steht es hier.«
Elias nagte an seiner Unterlippe. »Ist das wirklich sein Siegel? Ich weiß genau, dass Kapitän Yagil zurzeit in Sidon eine Ladung Gerstenbier aufnimmt und erst in einigen Wochen zurückkommt.«
»Ich müsste es vergleichen. Hast du noch andere Verträge mit dem Kapitän?«
Elias schüttelte den Kopf. »Dahinter steckt bestimmt Jotham«, knurrte er. »Er gibt sich nicht mehr damit zufrieden, meine Schuldscheine aufzukaufen, sondern verlegt sich jetzt auch noch aufs Fälschen.«
»Das müssten wir beweisen«, gab David zurück. »Das ist eine schwerwiegende Unterstellung. Du benötigst einen
Weitere Kostenlose Bücher