Im Auge des Feuers
reinkommen?«
»Ja, warum nicht?«
Eira lächelte und ignorierte die wenig enthusiastische Begrüßung. »Vielen Dank.« Er ging durch die Diele in das kleine Wohnzimmer. Ein aufgeräumter und äußerst sauberer Raum mitPlüschsofa und Spitzengardinen. Auf dem Teaktisch lagen weiße Läufer, darauf stand eine Topfpflanze. Durch die geöffnete Küchentür erhaschte Eira einen Blick auf die Spüle, auf der zwei Tassen standen. »Sie hatten Besuch?«
Ihre Augen weiteten sich. »Spionieren Sie mir nach, Eira?«
»Ich habe Gunhild Wikan von hier weggehen sehen.« Sie öffnete den Mund, um zu protestieren, aber er hob die Hand. »Wir wollen keine Zeit verschwenden, Nancy. Wenn Sie das abstreiten, glaube ich wirklich, dass Sie etwas zu verbergen haben. Aber was sollte das sein?«
Nancy sank in einen Sessel. »Du lieber Himmel, es war doch bloß ein Besuch. Ich kenne Gunhild Wikan nicht besonders gut, aber früher ist sie … Sie ist hin und wieder da im Haus gewesen. Bei den Fjelds, meine ich.«
»Worüber wollte sie mit Ihnen reden?«
Nancy wirkte angespannt. »Ja, worüber? Über alte Zeiten zumeist. Und auch ein bisschen über heute natürlich.«
»Haben Sie den Eindruck, dass Gunhild an einem bestimmten Ereignis aus der Vergangenheit besonders interessiert ist?«
Nancy zögerte. »Sie wollte wissen, was Karl gesagt hat, als er wieder aufgetaucht ist. Was er hier vorhatte. Ob er mit uns über den Brand von 1969 gesprochen hat – ob er vielleicht erzählt hat, was damals genau passiert ist. Ob … sie erwähnt worden ist.« Nancy holte tief Luft. »Es war ihr allem Anschein nach sehr wichtig.«
Kapitel 62
Jens Eide durfte zwar offiziell keinen Besuch empfangen, aber Eira fuhr dennoch zum Krankenhaus. Die Stationsärztin war unnachgiebig. »Der Patient hat, abgesehen von seinem Unfall, noch ein anderes großes Problem«, erklärte sie ungeduldig. »Sehen Sie, er ist nicht nur beinahe ertrunken und dann stark unterkühlt hier eingeliefert worden. Man muss vor allem etwas gegen seine Alkoholsucht unternehmen. Wir haben Ihre Kollegen bereits davon in Kenntnis gesetzt«, fügte sie ausgesprochen förmlich hinzu. »Der Patient ist noch nicht in der Verfassung für eine polizeiliche Vernehmung.«
»Zwei Minuten?« Eira hatte keine Skrupel zu betteln. Jens war nicht zufällig im Wasser gelandet, das sagte ihm zumindest seine Intuition. Und möglicherweise drohten noch anderen Menschen ähnliche vorgebliche Missgeschicke. »Er ist doch wohl phasenweise wach und imstande, sich irgendwie zu äußern?«
»Okay«, seufzte sie. »Dann sagen wir zwei Minuten. Aber nicht mehr.« Sie zeigte zum Bett und überließ Eira und Jens einem zwei Meter großen Krankenpfleger, der die Stirn krauszog und demonstrativ seine Uhr hervorholte.
Jens lag auf einem Berg von Kissen und schlief mit weit geöffnetem Mund. Schließlich bewegte sich ein Augenlid ein kleines Stück nach oben. Eira nahm an, dass Jens Medikamente erhielt, damit er im Entzug nicht die Wände hochging.
Es fiel Jens sichtlich schwer, verständliche Worte zu formen. »Der … Bananen…mann …?«
»Jens, hören Sie zu. Es ist wichtig. Können Sie sich erinnern, wie es dazu kam, dass Sie ins Wasser gefallen sind?«
Es dauerte unendlich lang, bis Jens sich gesammelt hatte.
»Er bekommt hochdosierte Medikamente«, erklärte der Krankenpfleger. »Da muss er jetzt durch. Bei drohendem Delirium hilft nichts anderes mehr. Sein Reaktionsvermögen wird durch die Wirkstoffe stark beeinträchtigt.«
Eira wusste, wovon der Krankenpfleger sprach. Man hätte noch weitaus drastischer über die Nebenwirkungen solcher Medikamente sprechen können.
»Ich … war plötzlich … völlig in die … Vergangenheit versetzt«, begann Jens, kam aber nicht weiter. Sein Mund war zu trocken, um noch mehr Worte formen zu können.
Eira nahm das Wasserglas und hielt es Jens an den Mund. »Wie meinen Sie das?«
»Vielleicht war ich … schon im Delirium?« Er lachte kurz und abgehackt. »Ich hörte … Stimmen. Genau … dieselben … wie vor vielen … Jahren, als ich … nach Frank gesucht hab, meinem Bruder.« Seine Augen fielen zu. »Die Stimme hat mich … gewissermaßen geführt … zum Wasser.«
Das ging zu langsam. Mittlerweile stand der Krankenpfleger hinter Eira und atmete ihm in den Nacken. »Hat Sie jemand gepackt? Gestoßen?«
»Weiß nicht.«
»Ich glaube, das ist genug«, unterbrach der Pfleger. »Er schläft jetzt ein.«
Eira hatte gerade wieder zu einer Frage ansetzen
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