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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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hatte Rita schon immer sein diplomatisches Geschick bewundert. Aber heute durfte sie sich keine Blöße geben.
    »Du solltest dir lieber eine vernünftige Arbeit suchen«, platzte es aus ihr heraus. »Es ist eine Schande! Bei deinem Grips! Was hätte alles aus dir werden können. Wirklich gut, dass eure Eltern tot sind, da bleibt es ihnen erspart zu sehen, wo ihr gelandet seid.«
    Beide Brüder verstummten.
    »Nun ja, Rita. Schande ist ein dehnbarer Begriff.« Jetzt redete Frank. Er konnte manchmal richtig scharfzüngig werden. »Ich glaube, wenn ich du wäre, würde ich zuerst vor meiner eigenen Tür kehren und auch nicht unbedingt in dieser Ecke hier damit anfangen.«
    Rita starrte ihn sprachlos an. Dann trat sie die Zigarette aus und marschierte an ihnen vorbei. »Ihr werdet von hier verschwinden, dafür sorge ich.«
    Der Schrei einer Möwe, die vom Hüttendach aufflog, holte Rita in die Gegenwart zurück. Die Dunkelheit wirkte auf einmal dicht und undurchdringlich und verdeckte alles, was Rita kurz zuvor noch in Umrissen hatte sehen können. Die Temperatur war sicherlich unter null gefallen, aber die Heizlampe gab genügend Wärme ab.
    Rita hatte lange Zeit bewegungslos dagesessen, von Erinnerungen überwältigt. Jetzt blinzelte sie zur Uhr. Im Dämmerlicht konntesie die Zeiger nicht genau erkennen. Oder lag es am Cognac? Die Flasche hatte sich beinahe von selbst geleert.
    Und plötzlich wurde ihr klar, was Karl und Gunhild an jenem Aprilabend 1969 ausgebrütet hatten. Wieso war sie nicht früher darauf gekommen? Wie viele Fäden hatte Gunhild außerdem noch gezogen?
    Ritas Körper wurde taub und schwer. Sie hatte am Vormittag eine Beruhigungstablette genommen, um ihre Nervosität zumindest halbwegs in den Griff zu bekommen. Aber diese lähmende Mattheit kam jetzt aus ihrem Inneren. Hier würde keinerlei Medizin helfen.
    Wie durch Watte hörte sie weit entfernt einen Automotor, vielleicht war es auch ein Bus. Früher bedeutete das Besuch, aber heute nicht mehr. Weder sie noch Johan luden andere hierher ein.
    Dann war alles wieder still. Im Sund war lange kein Schiff mehr vorbeigefahren. Selbst die Möwe hatte ihre Rufe verstummen lassen.
    Rita sammelte all ihre Kraft zusammen. Nicht einmal heute wollte sie hier übernachten. Sie musste zusehen, dass sie nach Hause kam.
    Mit großer Anstrengung gelang es ihr, das Licht auszuschalten, die Tür zog sie bloß zu. Sie konnte kaum die Hand vor Augen sehen.
    Eigentlich hätte es ihr nun unheimlich werden müssen, so allein in der Einöde. Aber sie empfand keine Furcht. Dieser Ort hatte ihr schon immer Geborgenheit gegeben, gerade weil er so weit ab vom geschäftigen Treiben der Stadt lag. Und im Augenblick war ihr ohnehin alles vollkommen gleichgültig.
    Mit dem Lichtkegel der Taschenlampe vor sich fand sie schließlich zu ihrem Auto. So viel war geschafft. Aber sie rang nach Luft. Jede Bewegung schmerzte.
    Mühsam zündete sie den Motor und rollte langsam auf dieHauptstraße. Es waren keine anderen Autos zu sehen. Weder vor ihr noch im Rückspiegel.
    Dafür gab der Rückspiegel etwas anderes preis.
    Ein mächtiger Schatten erhob sich vom Rücksitz.
    Rita schrie auf und verlor die Kontrolle über ihre Gliedmaßen. Mit voller Wucht landete ihr Fuß auf dem Gaspedal. Das Auto schoss auf dem vereisten Asphalt dahin, rammte die Seitenplanke und schleuderte auf die Gegenfahrbahn.
    Sie schmeckte Blut. Ihr Kopf war auf dem Armaturenbrett aufgeschlagen.
    Rita hörte undeutlich, wie ein Sicherheitsgurt geöffnet wurde. Gunhilds Stimme hingegen war nah, ganz nah an ihrem Ohr. »Du verdienst es wirklich zu krepieren, du hochmütiges Ding.«
    Das Auto schien immer noch zu rotieren, der Untergrund schwankte. Die Beifahrertür wurde geöffnet und Gunhild glitt auf den Sitz neben ihr. »Was ist mit dem ursprünglichen Testament passiert? Dein Vater hatte ja bestimmt, dass ich Karls Anteil erben sollte. Es geht um viele Millionen Kronen. Karl ist tot. Das Geld gehört mir, Rita!«
    Gunhild war so nah, dass Rita meinte, Tropfen ihres Speichels auf der Gesichtshaut zu spüren. Rita wollte sich übergeben. Sie war einer Ohnmacht nahe.
    Die Stimme an ihrem Ohr erinnerte an das Zischen einer angriffsbereiten Schlange. Eine Hand griff in Ritas Haar und zog den Kopf energisch nach hinten.
    »Ich habe mit Nancy gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass Andreas das Testament geändert hat, nachdem er krank geworden war. Da hat doch wohl jemand ein Wörtchen mitgeredet … Du, nicht wahr?«
    Rita

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