Im Auge des Feuers
versuchte die Lippen zu bewegen, aber sie brachte keinen Laut zustande.
Jetzt wurde ihre Tür geöffnet. Eiskalter Wind fegte herein und ließ Rita ein kleines bisschen klarer denken. Dann wurde sie rüde am Arm gepackt. »Los, steh auf.«
Kapitel 74
Der Wind blies in starken Böen, als Eira vom Auto zu Rita Fjelds Haus marschierte. Er steckte die Hand in den Zeitungskasten. Die aktuelle Ausgabe lag noch darin. Gewöhnlich wurde das Blatt morgens gegen vier oder fünf Uhr ausgetragen. War Rita heute nicht vor die Tür gegangen? Oder war sie überhaupt nicht zu Hause gewesen?
Nur in der Diele und an der Haustür brannte Licht. Die Spuren im Schlamm vor der Garage waren frisch. Selbst der Regen hatte es nicht geschafft, sie ganz aufzuweichen.
Eira wurde unruhig. Ritas Garagentür, dick und glänzend lackiert, aus dunkler Eiche, erschien ihm wie der Zugang zu einer verschlossenen, geheimen Grotte. Er nahm Anlauf und sprang in Richtung des kleinen Lüftungsfensters unter dem Garagendach. Mit beiden Händen hielt er sich am Fenstersims fest. Überraschenderweise gelang ihm der Klimmzug gleich beim ersten Versuch.
Ritas Auto, ein dunkelblauer Audi, stand nicht in der Garage. Sie war also wirklich nicht zu Hause.
»Berger, bitte schick ein paar Leute hierher, die uns Zugang zu Rita Fjelds Haus verschaffen können. Ich fahre inzwischen zu Johans Haus und sehe dort einfach mal nach dem Rechten. Das kommt mir nun doch alles etwas seltsam vor.«
Johan Fjelds Haus war dunkel. Man hatte eine polizeiliche Absperrung angebracht. Solange Johan in Untersuchungshaft saß und die Ermittlungen andauerten, hatte Nancy frei.
Eira verließ das Auto und legte die fünfzig Meter vom Tor zurEingangstür langsam zurück. Er wünschte sich mit einem Mal, dass es reichlich Neuschnee gegeben hätte, sodass eventuelle Spuren zu sehen gewesen wären. Aber der Regen hatte den Boden effektiv freigelegt. Überall nur gefrorene Erde ohne irgendwelche Abdrücke.
Die Postzustellung war für den Zeitraum der Untersuchungshaft gestoppt worden. Das Gleiche galt für die Müllabfuhr. Lediglich Hausierer oder andere Fremde, die nicht über die Situation Bescheid wussten, würden hierherkommen. Die Polizei fuhr regelmäßig Streife.
Auch hier brannten nur die Lampen in der Diele und an der Haustür. Den Schlüssel zum Haus hatte Eira Johan bei dessen Inhaftierung abgenommen.
Hastig schloss er auf und betrat die Diele. Die Luft war klamm und abgestanden. Die hohen Decken und die abgeschalteten Heizkörper verstärkten die unwirtliche Atmosphäre des Hauses.
Eira machte eine Runde durch alle Zimmer. Das Haus wirkte tatsächlich verlassen. Sicherlich verkümmerten nun die Topfpflanzen. Aber als Eira näher hinsah, bemerkte er, dass die Blätter keinen sonderlich welken Eindruck machten. Bei einer Grünlilie blieb er stehen und steckte einen Finger in die Erde. Hier musste jemand erst kürzlich gegossen haben.
Er öffnete die Kellertür und schaute hinunter in die Finsternis. Auf einer der oberen Stufen lehnte ein Besen mit zerbrochenem Stiel an der Wand. Eira versuchte sich zu erinnern, ob der dort bereits gestanden hatte, als er voriges Mal hier gewesen war. Das sonderbare Gerät war ihm damals jedenfalls nicht aufgefallen.
Er verließ das Haus und schloss hinter sich ab.
Als er gerade den Wagen starten wollte, klingelte sein Handy.
»Hallo, Eira. Ich bin’s, Berger. Bei Rita ist keiner zu Hause. Das Bett ist ordentlich gemacht, in der Küche gibt es keine benutzten Tassen oder sonstiges verschmutztes Geschirr.«
»Okay. Dann müssen wir handeln. Schreib sie bitte auch zur Fahndung aus. Und ich habe gleich noch einen weiteren Auftrag für die Leute von der Spurensicherung. Sie sollen zu Johans Haus fahren und untersuchen, ob an dem Besen, der auf der Kellertreppe steht, Fingerabdrücke und Blutspuren zu finden sind.«
Am anderen Ende der Leitung wurde es still. Berger hatte verstanden. »Ich kann’s mir schon denken, Eira. Dir geht der Mord an Magni Andersen durch den Kopf. Vor ihrer Treppe ist gefegt worden, um zu vertuschen, dass Blut im Schnee war. Den Besen haben wir nie gefunden.«
Er war fast im Präsidium angekommen, als Niillas anrief. Einige Zeit zuvor hatte der Junge bereits eine SMS geschickt und mitgeteilt, dass er bei Victoria essen würde. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch nahm Eira das Gespräch entgegen. »Ja?«
»Ich bin bei Victoria«, sagte Niillas in rasend schnellem Samisch. Seine Stimme war leise und klang
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